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Kölner Schmiergeldzahler hat gesungen

Eisermann gegen Kaution und Aussage auf freiem Fuß: Er belastet Kölner SPD-Fraktionschefs der 90er-Jahre schwer

KÖLN taz ■ Lange hatte er geschwiegen, lange saß er dafür hinter Gittern: Ulrich Eisermann gilt als eine Schlüsselfigur im Kölner Müllskandal. Nach vier Monaten Untersuchungshaft ist der Ex-Geschäftsführer der halbstädtischen Abfallentsorgungs- und Verwertungsgesellschaft (AVG) seit gestern wieder auf freiem Fuß – nach Hinterlegung von über einer halben Million Euro und umfangreicher Aussage. Die AVG war Bauherrin des Müllofens, um den sich der Skandal rankt: die Kölner Müllverbrennungsanlage (MVA).

Eisermanns Geständnis soll zur Festnahme des Viersener Müllmoguls Hellmut Trienekens und der beiden Ex-SPD-Spitzenpolitiker Karl Wienand und Norbert Rüther geführt haben. Ihnen wird Beihilfe zu Bestechlichkeit und Bestechung sowie Steuerhinterziehung vorgeworfen. Eisermann selbst soll 9,5 Millionen Mark vom Anlagenbauer Steinmüller dafür bekommen haben, dass der die MVA bauen durfte. Insgesamt soll Steinmüller 21,6 Millionen Mark Schmiergelder gezahlt haben.

War es tatsächlich nur für den Ex-Sozialdemokraten bestimmt? Sechs Millionen Mark liegen laut Eisermann auf einer Bank im Ausland, zwei Millionen sollen an Rüther gegangen sein. Der bestreitet das allerdings vehement. Doch Eisermann erzählt auch von einem geheimen Girokonto, von dem der Ex-SPD-Fraktionschef Rüther und sein Vorgänger Heugel wöchentlich einige tausend Mark abgehoben hätten. Von dem Geld sollen die beiden unter anderem Essen gegangen sein. „Wir haben das Konto noch nicht gefunden“, sagte Oberstaatsanwältin Regine Appenrodt zur taz. Auch woher das laut Eisermann auf das Konto eingezahlte Geld stamme, sei unklar.

Bei der von Eisermann bezeugten Schlemmerkasse könnte es sich allerdings auch um ein bereits aufgedecktes Geheimkonto der Kölner SPD-Fraktion handeln, auf dem sich zeitweise bis zu 700.000 Mark befunden haben sollen. Wie selbstverständlich gingen nach taz-Recherchen Heugel und Rüther in den 90er-Jahren zur Kölner Stadtsparkasse und bedienten sich in bar – zur innerparteilichen Landschaftspflege. Bis heute konnte der Verbleib von 98.642,44 Mark nicht aufgeklärt werden.

Unterdessen wird im Kölner Rathaus heftig spekuliert, ob auch die angeschlagene Philipp Holzmann AG in den Kölner Korruptionsskandal verwickelt ist. Der Frankfurter Konzern war maßgeblich am Bau der MVA beteiligt. Zum einen gehörte Holzmann früher ein Großteil des Generalunternehmers der MVA, Steinmüller. Zum anderen war Holzmanns Kölner Niederlassung für die bautechnische Genehmigungsplanung verantwortlich. Auch auf der „Dankeschön“-Spenderliste des Kölner Ex-SPD-Fraktionschefs Norbert Rüther ist Holzmann dabei: 50.000 Mark soll der damalige Leiter der Kölner Niederlassung, Manfred Rohler, auf Vermittlung Eisermanns 1998 an ihn gegeben haben. Rohler will allerdings „nie mit Herrn Rüther zu tun“ gehabt haben, seine Kollegen auch nicht.

Als Indiz dafür, dass Holzmann mit im großen Korruptionskarussell saß, ist Rathaus-Gerüchten zufolge seine Beteiligung an einem weiteren Großprojekt zu werten: die Mega-Halle „KölnArena“. „Warum sollen bei dem einen Großprojekt drei Prozent Schmiergeld geflossen sein, bei dem anderen aber nicht?“, fragt ein Ratsmitglied. Zudem sei doch bemerkenswert, wie reibungslos der damalige Oberstadtdirektor Lothar Ruschmeier in einen hoch bezahlten Job beim Esch-Immobilienfonds umsattelte – ausgerechnet jenem illustren privaten Investorenclub, der die KölnArena erbaute.

Im Zusammenhang mit Untreue-Ermittlungen der Frankfurter Staatsanwaltschaft gegen frühere Holzmann-Vorstandsmitglieder durchsuchten bereits im Januar 2000 BKA-Beamte das Privathaus Ruschmeiers wegen des „Anfangsverdachts der Vorteilsnahme“. Der Sozialdemokrat war Anfang der 90er-Jahre auch AVG-Aufsichtsratsvorsitzender, er soll seinen Intimus Eisermann auf den AVG-Geschäftsführerposten gehievt haben.

Nach Angaben von Oberstaatsanwältin Appenrodt gibt es allerdings bisher keine Hinweise auf eine Verwicklung des Holzmann-Konzerns und Ruschmeiers in den Kölner Müllskandal. „Das ist reine Spekulation“, so Appenrodt zur taz.

PASCAL BEUCKER,

FRANK ÜBERALL

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