aufrechte christen: „Ein einziger Gewinn“
Kirchenasyl stoppt Abschiebung
Der 20-jährige libanesische Kurde Schokli Al-Zain hat vier Wochen im Kirchenasyl der Waller Immanuel-Gemeinde verbracht. Seit dem gestrigen Erlass von Innensenator Kuno Böse hat er die Chance auf ein Bleiberecht. Die taz sprach mit Gemeindepastor Rolf Sänger-Diestelmeier.taz: Herr Sänger-Diestelmeier, ist das Kirchenasyl von Schokli Al-Zain vorbei?
Sänger-Diestelmeier: Ja, wir vertrauen der Zusage, dass Schokli von der Fahndungsliste gestrichen ist.
Hat das Kirchenasyl damit sein Ziel erreicht?
Ja. Wir wollten dem Recht zum Ziel verhelfen, indem wir eine erneute rechtliche und/oder politische Überprüfung ermöglichen. Dazu ist das Kirchenasyl im demokratischen Rechtsstaat ein gutes Instrument. Das hat sich in den letzten Jahren erwiesen: In drei Vierteln aller Fälle wird eine drohende Abschiebung verhindert, in jedem fünften Fall sogar ein gesicherter Aufenthaltsstatus erreicht.
Woher nimmt die Kirche ihren Auftrag, so in staatliches Handeln einzugreifen?
Im alten Israel gab es sechs Asylorte über das Land verteilt. Viele Psalmen stammen von politisch Verfolgten. Nehmen Sie den berühmten 23. Psalm, wo es heißt: „Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde“ – eindeutig ein Reflex auf Verfolgung. „Ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar“, heißt es weiter. Und Jesus sagt in Matthäus 25: „Was ihr getan habt einem meiner geringsten Schwestern und Brüder, das habt ihr mir getan. Ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen.“
War das Kirchenasyl für die Gemeinde ein Kraftakt?
Nein, in unserer Gemeinde gibt es eine Tradition der Auseinandersetzung mit den Fragen von Flüchtlingen und Fremden. Hier trifft sich der Flüchtlingsarbeitskreis Walle. Für akute Fälle haben wir einen Vorratsbeschluss, um flexibel reagieren zu können. Schokli selbst war ein einziger Gewinn für uns. Außerdem waren wir ja auch nicht allein. Viele haben geholfen, sei es mit stiller Diplomatie oder mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen. Was die hochkompetenten Leute von arab und Flüchtlingsinitiative geleistet haben, ist großartig. Und auch den regionalen und überregionalen Medien danken wir für ihre Berichterstattung.
Gab es Probleme mit der Polizei?
Nein, wir haben Schokli ja nicht versteckt. Die Polizei wusste jederzeit, wo er ist. Wir hatten faire Absprachen mit unserem örtlichen Polizeirevier, das uns auch keine Zivilstreife vor die Tür gestellt hat.
Wie waren die Reaktionen im Stadtteil?
Uns hat wohl getan, dass viele spontan Unterstützung angeboten haben. Es gab sogar einen Wiedereintritt in die Kirche. Allerdings haben wir auch einen Drohbrief aus der Nazi-Szene bekommen. Fragen: jank
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen