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Wahlziel: Wir wollen Geld

Die Schrill-Partei macht ernst: Die Chancen für einen Erdrutschsieg bei der Bundestagswahl stehen gut. Die Vorbereitung läuft problemlos: Spots und Spitzenkandidaten – alles da, was Schill fehlt

von PETER AHRENS

Diese Partei ist ganz normal. Der Mittelstand soll gefördert werden, auf Studiengebühren wird verzichtet, private Sicherheitsdienste haben keine Chance, statt härterer Strafen soll die Politik ihr Augenmerk auf Prävention richten. Dagegen ist wenig einzuwenden, könnte das Programm der Grünen sein, mit Versatzstücken der SPD. Aber hier sind lebensbejahende Landsleute am Werk und wollen Politik machen. Um genau zu sein: Sozial-christliche-heimatverbundene-rechtstreue Interessensgemeinschaft lebensbejahender Landsleute. Das klingt nun doch ein bisschen schauderhaft, näheres verrät die Abkürzung SCHRILL: Die Schrill-Partei will nach dem 22. September in den Bundestag.

Mit dem Amtsrichter haben sie wirklich nichts zu tun, die KünstlerInnen und Medienschaffenden aus Hamburg und Berlin, die die Schrill-Partei aus der Taufe gehoben haben. „Wir legen auf jegliche Ähnlichkeit keinen Wert“, sagt der Hamburger Manuel Tesloff als einer der Parteigründer. Da wären zum Beispiel schon die komplett unterschiedlichen Spitzenkandidaten. Auf der einen Seite Ronald Barnabas, auf der anderen Seite der Berliner Schauspieler Rüdiger Schrill, der auf der Homepage der Partei ganz offen sagt: „Was wir wollen: Wahlkampfhilfe.“ Vielleicht sind sie doch nicht so unterschiedlich.

Aus einer „spontanen Runde“ vor zwei Monaten entstand die Idee, eine eigene Partei ins Rennen zu werfen, „weil wir alle völlig unsicher waren, was wir sonst eigentlich wählen sollten“. Wenn es keine vernünftige Alternative gibt, schafft man sich welche. Also wird via Internet eine neue politische Bewegung kreiert mit dem Ziel, Geld zu machen, „das wir gut gebrauchen können, denn wir wollen einen Kurzfilm drehen“. Klare Perspektive: „Wir möchten diesen ungewöhnlichen Weg der Projektfinanzierung nutzen, um auf diese Weise staatliche Kunstförderung zu erhalten.“

Dazu müssen Hürden überwunden werden. Bis zum 18. Juli braucht die Partei 2000 Unterschriften, um zur Wahl zugelassen zu werden. Bisher gibt es nur einen Landesverband in Berlin, daher gilt die Bitte um Unterschrift auch vorrangig für Berliner UnterstützerInnen. Zur Belohnung winkt allen, die unterschreiben, eine kleine Rolle im Wahlwerbespot der Partei. Außerdem müssen die Schrillen am Freitag kommender Woche zur Anhörung vor dem Bundestag erscheinen, um zu versichern, dass es bei der Partei um eine komplett ernsthafte Sache geht.

Geht es ja auch, wie Tesdorff versichert. „Humor als Transportmittel ist ja kein Ausdruck von Nicht-Ernsthaftigkeit“, man sei „definitiv nicht die Pogo-Partei“. Und auch die ist schließlich zur Wahl zugelassen worden. Wenn die Zulassung vorliegt, werde man sofort mit der Produktion des Spots beginnen, ansonsten findet der Wahlkampf weitgehend im Internet statt. Aus finanziellen Gründen, noch ist die Wahlkampfkostenerstattung nicht da. „Und dann geht es auch los mit der professionellen Öffentlichkeitsarbeit, denn wir wollen ja auch in die seriösen Medien.“

Titanic, Frankfurter Rundschau, Würzburger Würzblatt – die Liste der Medien, die sich mit dem Projekt beschäftigen, ist beeindruckend. Demnächst steht ein Termin beim ARD-Morgenmagazin ins Haus. Anschließend soll die Teilnahme am Rededuell in der Bild-Zeitung folgen.

Mit einem erdrutschartigen Sieg wird in der Parteizentrale nur dann gerechnet, wenn einige das r übersehen. Immerhin existiert man ja erst seit zwei Monaten. Aber wenn am 22. September der eine oder die andere kurzsichtige WählerIn das Kreuz versehentlich bei Schrill und nicht bei Schill macht, dann wird Deutschland einen prdentlichen Kurzfilm zu sehen kriegen.

www.schrill-partei.de

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