: Mann mit bombigen Kontakten
Rudolf Scharping ist nur einer von vielen Kontakten des Moritz Hunzinger. In seinem Netzwerk verknüpft er die Rüstungslobby mit der Politik
von STEFAN KUZMANY
Aufrecht und aufrichtig, so sieht sich Rudolf Scharping, und so sollte ihn auch die Öffentlichkeit erleben, als er am Donnerstag vor die Presse trat, um eine Erklärung zu seinem Hinauswurf abzugeben. „Es hat nie ein Vertragsverhältnis zwischen dem Bundesminister der Verteidigung und Moritz Hunzinger gegeben“, sagte Scharping.
Mag sein, dass der Gestrauchelte da formal die Wahrheit sprach, mag sein, dass niemals ein Vertrag zwischen den beiden unterzeichnet worden ist. Seltsam mutet in diesem Zusammenhang jedoch die Homepage des Frankfurter Kontakthändlers an: Auf www.hunzinger.de kann jeder nachlesen, wie sich Hunzinger mit seinen Diensten für den Verteidigungsminister brüstet. In einer Liste mit „Referenzprojekten von Moritz Hunzinger“ steht an siebter Stelle: „PR-Beratung des Bundesministers der Verteidigung während des Kosovo-Krieges an Weihnachten 1999“. Ein persönlicher Gefallen? Das fällt schwer zu glauben.
Weitere „Referenzprojekte“ Hunzingers sind die Markteinführung der Swatch-Uhr, die PR-Beratung im Abwehrkampf der Telecom Italia gegen die Übernahme durch die Deutsche Telekom AG (durchaus erfolgreich: ihr Scheitern war einer der ersten Sargnägel Ron Sommers) oder die PR-Begleitung des letzten Ministerpräsidenten der DDR, Lothar de Maizière. Der ist heute Aufsichtsratsvorsitzender der „Hunzinger Information AG“.
Wie die Kontaktpflege mit Politikern funktioniert, ohne dass die Namen von Spendern oder Bedachten an die Öffentlichkeit dringen, geht aus einer internen Jahreskonto-Aufstellung des Hauses Hunzinger hervor, die Max-Journalisten von einem ehemaligen Mitarbeiter Hunzingers zugespielt worden ist und die der taz vorliegt. Unter der Überschrift „27580/256/1998/HUNZINGER GMBH (Jahreskonto 2380)“ sind Spendenempfänger aufgelistet, die von Hunzinger im Wahlkampfjahr 1998 beschenkt wurden. Nicht nur Gelder an Rudolf Scharping finden sich hier, auch Joschka Fischer wurde der Liste zufolge mit 19.999,99 Mark bedacht. 10.000 Mark gingen an die CDU Berlin, noch mal 10.000 an die CDU Berlin-Tempelhof. Die Konservativen in Bonn, Esslingen, Hamburg-Harburg, Heilbronn, Main-Taunus, Marburg-Biedenkopf, Remscheid, Frankfurt/Main und Brandenburg gingen ebenso wenig leer aus wie die FDP-Bundesgeschäftsstelle, die FDP in Karlsruhe, in Bonn und Gießen. Ordnet man die Spenden den jeweiligen regionalen Mandatsträgern zu, bekommt man eine hübsche Liste von Parlamentariern in Schlüsselpositionen:
Der ehemalige Verteidigungsminister Rupert Scholz (CDU) sitzt heute noch im „Gemeinsamen Ausschuss“ (zuständig im Verteidigungsfall). Norbert Hauser (CDU) war Helmut Kohls Regierungssprecher. Peter Rauen (CDU) ist Bundesvorsitzender der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung (MIT). Volker Rühe (CDU) war Verteidigungsminister, Roland Koch (CDU) ist noch immer hessischer Ministerpräsident. Gerald Weiß ist stellvertretender Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft Deutschlands (CDA), deren Bundesvorstand auch Hunzinger angehört. Heinz Riesenhuber (CDU) ist Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie. Friedrich Bohl (CDU) war Kanzleramtsminister, Bernd Wilz (CDU) Staatssekretär im Verteidigungsministerium. Erika Steinbach (CDU) ist die Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen. Exgeneral Jörg Schönbohm ist Innenminister in Brandenburg. Klaus Kinkel (FDP) war Außenminister, Guido Westerwelle (FDP) ist Parteivorsitzender und Kanzlerkandidat.
Hunzinger selbst macht keinen Hehl daraus, dass sämtliche in der Rüstungsindustrie engagierten deutschen Unternehmen seine Dienste in Anspruch nehmen, um Politiker für ihre Interessen gnädig zu stimmen. Bekannt ist die seltsame Verschonung deutscher Fabriken während des Serbien-Bombardements der Nato. Der Unternehmer Herbert M. Rudolph durfte auf einem der „Politischen Salons“ Hunzingers im September 1998 seine Sorgen um die in Serbien ansässigen kriegswichtigen Produktionsstätten seines Unternehmens direkt dem Verteidigungsminister und dem Oberbefehlshaber der Kosovo-Schutztruppe, General Klaus Reinhardt, beichten. Und siehe da: Plötzlich funktionierte die chirurgische Treffsicherheit der Nato-Bomben viel besser als bei Personenbussen oder der Belgrader chinesischen Botschaft. Die Investitionen der Deutschen blieben unversehrt.
Der Stern wiederum deckte in dieser Woche auf, dass Scharping sich seinerzeit auf Betreiben des Rüstungsmanagers Hannfried Haun für den Verkauf deutscher U-Boote nach Ägypten stark gemacht hatte. Vermittler war Moritz Hunziger. Zitat aus einem Brief Hauns an Hunzinger: „Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie den Minister auf die besondere Dringlichkeit dieses Vorhabens hinweisen würden.“ Noch auf der Ägyptenreise 1999 bestritt der Minister jegliches Engagement, seine Sprecher jedoch bestätigten die Exportgespräche. Aufgrund neuer Richtlinien der rot-grünen Regierung ist der Deal bis heute nicht zustande gekommen.
Trotzdem ist Hunzinger für seine Umtriebigkeit mehrfach ausgezeichnet worden. Seit 1999 ist er „Träger des Verdienstkreuzes am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland“, so Hunzingers redundantes Eigenlob. In der Begründung heißt es: „Mit seinen vielfältigen Aktivitäten hat Herr Hunzinger die Kommunikation gesellschaftlicher Kräfte untereinander positiv gefördert und damit die demokratische Grundordnung unseres Staates gestärkt.“ Schon 1998 erhielt Hunzinger die Ehrenmedaille der Bundeswehr. Wofür, daran mag man sich heute im Verteidigungsministerium nicht mehr erinnern. Die Medaille wird auch Zivilisten verliehen, zum Beispiel an Helfer nach dem Oder-Hochwasser. Aber Hunzinger? „Keine Ahnung, warum der die bekommen hat“, sagte Oberstleutnant Wolfgang Dobrig aus dem Pressestab des Ministeriums der taz. Und Nachforschungen, das tue ihm sehr leid, könne er keine anstellen: „Bei uns sind neue Zeiten angebrochen.“
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