: Polit-Poker um Nordirak
Möglicher US-Angriff auf Irak belastet die Beziehungen Ankaras zu den Kurdenführern in Nordirak. Nicht zuletzt geht es um die künftige Kontrolle über die Erdölregion Kirkuk
BERLIN taz ■ Im Vorfeld eines möglichen US-Angriffs auf den Irak haben sich die Beziehungen zwischen der türkischen Regierung und dem wichtigsten Kurdenführer im Nordirak, Massud Barsani, dramatisch verschlechtert. Nachdem Ankara zunächst den Diplomatenpass Barsanis einkassiert hatte, soll nun auch der türkisch-irakische Grenzübergang Habur für Öllaster gesperrt werden.
Die Öltransporte aus den irakischen Ölfeldern durch die von Barsani kontrollierten Gebiete im Nordirak sind aber die wichtigste Einnahmequelle für die irakischen Kurden. Da durch diese Maßnahme auch die Einwohner im Südosten der Türkei stark betroffen wären, da viele ihren Lebensunterhalt durch die Öltransporte bestreiten, muss es in Ankara wichtige Gründe für einen solchen Schritt geben.
Offiziell ist die Rede davon, dass Barsani de facto immer stärker darauf hinarbeitet, in dem autonomen kurdischen Gebiet im Nordirak einen eigenen Staat aufzubauen. Dabei wolle man ihm durch das Geld der Öltransporte nicht noch behilflich sein. Diese Erklärung mutet etwas merkwürdig an, weil die Kurden seit Jahren in ihrem Gebiet quasi staatliche Strukturen schaffen und staatliche Institutionen aufbauen, was aber Ankara bis jetzt nicht davon abgehalten hat, vor allem mit Barsani eng zusammenzuarbeiten.
Der Hintergrund der türkischen Maßnahmen gegen Barsani ist deshalb wohl eher auf unterschiedliche Haltungen beider Seiten gegenüber einem amerikanischen Angriff auf Saddam Hussein zu sehen. Ein Schlaglicht auf die Konflikte war die Weigerung Barsanis, an einem Treffen der irakischen Opposition in Washington am 8. und 9. August teilzunehmen.
In einer Recherche, die am vergangenen Mittwoch veröffentlicht wurde, enthüllt die New York Times, dass die US-Regierung sogar angeboten hatte, Barsani mit einem Privatflieger abzuholen und ihm mit dem zweiten wichtigen Kurdenführer des Nordirak, Dschalal Talabani, eine Sonderaudienz bei Präsident Bush zu gewähren. Barsani habe dennoch abgelehnt.
Tatsächlich geht es vor allem um die Versprechen für die Zukunft. Barsani will von Washington Garantien, dass durch einen Krieg gegen Saddam die quasi staatliche Selbstständigkeit im Nordirak nicht gefährdet wird. Nach Spekulationen in der türkischen Presse ist Barsani zudem bestrebt, im Zuge eines Krieges seinen Einflussbereich auf die jetzt von Saddam kontrollierte Erdölstadt Kirkuk auszudehnen. In beiden Punkten verfolgt die Türkei aber eine genau gegenteilige Linie. Einmal hat Ankara seine Unterstützung eines US-Angriffs davon abhängig gemacht, dass die USA die Entstehung eines Kurdenstaates definitiv verhindern werden, zum Zweiten spekulieren zumindest Teile der türkische Regierung und des Militärs darauf, selbst einen bestimmenden Einfluss auf die Region Kirkuk zu bekommen.
Das Instrument dafür ist die Minderheit der Turkmenen im Nordirak. Die Türkei, die sich schon länger als Schutzmacht der Turkmenen im Irak aufspielt, hat in letzter Zeit versucht, die Bedeutung dieser ethnischen Minderheit im Nachbarland aufzuwerten. Auf Druck Ankaras sollten Turkmenen-Vertreter ebenfalls nach Washington eingeladen und so zu einem anerkannten Teil der irakischen Opposition aufgebaut werden.
Immer häufiger erschienen Berichte über die Turkmenen im Irak in den türkischen Medien und die Zahl der Minderheit wächst fast täglich. Entscheidend aber ist das angebliche Zentrum des turkmenischen Siedlungsgebietes: Kirkuk. Wenn der Irak nach einem Krieg in mehrere Föderationen aufgeteilt werden soll, müssen die Turkmenen, so die Idee in Ankara, auch einen Teil abbekommen. Zufällig ist der genau die Erdölregion rund um Kirkuk. JÜRGEN GOTTSCHLICH
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