: „Keine Ansiedlung in Flussauen“
Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) über die Ursachen des Hochwassers und die Notwendigkeit einer anderen Flächenpolitik
Interview HANNES KOCH
taz: Herr Trittin, welche sind die Ursachen der außergewöhnlichen Sommerflut?
Jürgen Trittin: Ein Grund ist natürlich der extrem starke Regen. Ein Zusammenhang zur Erwärmung des Klimas liegt hier nahe. Mehr Wasser verdunstet, weshalb mehr Regen fallen kann. Manchmal kommt man sich ja vor, als wäre Monsun. Zum anderen hat Hochwasser etwas mit der Versiegelung des Bodens zu tun. Es gelangt viel mehr Wasser als früher in die Flüsse, und das sehr viel schneller.
Und was sollte die Bundesregierung in der nächsten Legislaturperiode dagegen tun?
In unserem Nachhaltigkeitsprogramm haben wir uns vorgenommen, die Bebauung von Naturflächen drastisch zu reduzieren. Heute werden in Deutschland pro Tag 130 Hektar Boden verbraucht, eine Fläche, die 1 Kilometer lang und 1,3 Kilometer breit ist. Das kann nicht ohne Folgen bleiben. Wir wollen den Flächenverbrauch bis 2015 auf 30 Hektar täglich reduzieren – ein sehr ambitioniertes Vorhaben.
Die Leute möchten gerne in ihr eigenes Haus aufs Land ziehen. Wie wollen Sie sie davon abbringen?
Die Möglichkeit, aufs Land zu ziehen, wird auch in Zukunft bestehen. Aber deswegen muss man doch nicht ausgerechnet in den Flussauen neue Siedlungsflächen ausweisen, um ein ruhiges, naturnahes, kinderfreundliches Wohnen zu realisieren. Vor allem sollte man dort keine Gewerbegebiete ausweisen. Und dass man dort kein Grünland umbrechen darf, haben wir bereits ins neue Naturschutzgesetz geschrieben.
Manch einer will am Waldrand leben und nicht auf einer renaturierten Industriebrache an einer Straße.
Das ist in den seltensten Fällen die Alternative. Nicht jede genutzte Baulücke, nicht jede umgenutzte Fläche ist doch eine Industriebrache unter Altlastenverdacht. Ich glaube, die Ursache für die Flucht vor der Unwirtlichkeit der Städte liegt ja nicht nur, vielleicht nicht mal in erster Linie an den Wohnbedürfnissen der Menschen, sondern an der Fantasielosigkeit der Planer. Es ist natürlich viel einfacher, neue Naturflächen als Baugrund auszuweisen und Reihenhäuser hinzubauen. Die Probleme kommen dann hinterher. Warum kommen die Leute aus dem Berliner Umland allmählich zurück in die Stadt? Sie bevorzugen die sozialen Kontakte, die in den Vororten so nicht vorhanden sind, und die städtische Infrastruktur, die nur durch neue Versiegelung, also neue Straßen, geschaffen werden kann.
Wie kann man den Verbrauch von Flächen ganz praktisch reduzieren?
Sie müssen zum Beispiel die Wohnungsbauförderung ändern. Heute wird Bauen auf der grünen Wiese teilweise doppelt so stark subventioniert wie in Städten. Das kann so nicht weitergehen.
Brauchen die Flüsse mehr Platz?
Allerdings. Man muss ihnen freien Lauf lassen, Deiche zurückverlegen. Besser, das Wasser läuft in die Auwälder als in die Keller. Man darf nicht den letzten Auwald vernichten, so wie Stoiber es an der Donau machen wollte. Das haben wir zum Glück verhindern können. Und alle Flussbaumaßnahmen, etwa an der Elbe, müssen nach den Erfahrungen mit dem Hochwasser auf den Prüfstand.
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