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Nach Flut droht Gift

Gewitter drohen Hocherwasserlage wieder zu verschärfen. Nach Dammbruch gefährden Fluten Dessau. Angst vor Umweltschäden

BERLIN ap ■ Trotz sinkender Elbpegel in Ostdeutschland droht in den kommenden Tagen eine neuerliche Anspannung der Lage in den von der Überflutung betroffenen Gebieten. Zwischen Rhein, Weser und Elbe entwickeln sich heute heftige Gewitter, die örtlich mit Starkregen, Sturmböen und Hagel verbunden sind, wie der Deutsche Wetterdienst mitteilte. Da diese Gewitter bis an die Hochwassergebiete herankämen, könne es zu einer Verschärfung der Hochwasserprobleme kommen.

Unterdessen stieg gestern im schleswig-holsteinischen Kreis Herzogtum Lauenburg das Wasser stündlich um ein bis zwei Zentimeter, wie Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) erklärte. Die Prognose sehe für morgen einen Höchststand von 9,35 Metern vor. Bis gestern Abend gab es in dem rund 25 Kilometer langen Abschnitt der Elbe in Schleswig-Holstein keine Überflutungen.

In Niedersachsen kam die Flutwelle nur noch langsam voran. Nach Angaben der Behörden erreichte das Hochwasser gestern im besonders gefährdeten Amt Neuhaus seinen Höchststand. Bei Dannenberg wurde die Evakuierung einer Klinik und zweier Heime angeordnet. Niedersachsens Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD) führte die gegenwärtig stabile Lage beim Hochwasser in seinem Land auf die Öffnung von Havelpoldern in Brandenburg zurück. Er rechne derzeit nicht mit einer zweiten Flutwelle, aber Entwarnung könne noch nicht gegeben werden.

Befinden sich fast alle Wasserstandspegel in Sachsen-Anhalt im Sinken, so stellt sich die Lage in Dessau nach einem Deichbruch in Seegrehna weiterhin kritisch dar. Die strömenden Fluten bedrohen neben der Stadt mehrere Orte im Wörlitzer Winkel und die A9 Berlin–München. Nahe der Autobahn wurde gestern damit begonnen, mit schwerem Gerät einen zwei Meter hohen und einen Kilometer langen Hilfswall zu errichten, so Dessaus Bürgermeister Hans-Georg Otto (parteilos) gestern.

Nach dem Zurückweichen des Elbe-Hochwassers im Osten wächst nun die Sorge vor Umweltschäden durch Giftstoffe. Umweltschützer befürchten, dass aus dem überfluteten Chemiewerk Spolana im tschechischen Neratovice gefährliche Dioxine in die Elbe gelangt seien können. Auch Schadstoffe aus Klärwerken oder Mülldeponien könnten in den Fluss gelangt sein. Nach Messungen der Wassergütestelle der Arbeitsgemeinschaft zur Reinhaltung der Elbe (Arge-Elbe) haben die Fluten zu einer fünf- bis zehnmal höheren Belastung mit Schwermetallen geführt. Bei solchen Werten bestehe aber „noch kein Grund zur Panik“, so der Arge-Leiter Heinrich Reinke in Hamburg.

Nach Angaben des schleswig-holsteinischen Umweltministers Klaus Müller (Grüne) könnte „theoretisch“ durch das Hochwasser und die mitgeschwemmte Flut „ein Cocktail aus Dioxinen, organischen Chlorverbindungen, Haloäther, Schwermetallen und anderen Schadstoffen“ entstehen. Am Stauwehr Geesthacht werden seit Montag täglich Proben entnommen und auf Schadstoffe untersucht.

Die Spendenbereitschaft für die Flutopfer ist ungebrochen. Mehr als 92 Millionen Euro sind bislang bei den großen Hilfsorganisationen eingegangen. Den Löwenanteil daran verbuchte das Deutsche Rote Kreuz mit rund 35 Millionen Euro Spendengeldern bis zum Donnerstag. Das Deutsche Zentralinstitut schätzt die Spendensumme laut Tagesspiegel auf „am Ende 130 Millionen Euro“ – das wäre die größte Spendensammlung in der Geschichte der Bundesrepublik.

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