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Erst wählen, dann grillen

Rat der Islamischen Gemeinden diskutierte mit PolitikerInnen über die Bundestagswahl, das Kopftuch und den Regierungspolitiker Schill – von den drei Senatsparteien war nur die FDP zum Gespräch mit den Muslimen bereit

von PETER AHRENS

Mustafa Yoldaș hat ein Anliegen: „Macht am Sonntag in zwei Wochen ruhig euren Grillnachmittag, aber geht vorher bitte zur Wahl.“ Der Vorsitzende der Schura, dem Rat der islamischen Gemeinden in Hamburg, versucht den wahlberechtigten Muslimen in der Stadt ins Gewissen zu reden: „Keiner von uns kann sagen, wir verzichten einfach auf die Wahl.“ Ein Appell, der offenbar auf fruchtbaren Boden fällt: Am Freitagabend hat die Schura zur Frage „Wen sollen wir Muslime wählen?“ PolitikerInnen der Hamburger Parteien ins Islamische Zentrum an der Schönen Aussicht eingeladen, und der Saal ist voll, das Interesse groß.

Wobei das Informationsbedürfnis der muslimischen HamburgerInnen nur teilweise gestillt werden kann. Die Schill-Partei hat auf die Einladung der Schura nicht einmal geantwortet, die CDU hat abgesagt, weil aus ihrer Sicht „Kirchen und Moscheen nicht der geeignete Ort für parteipolitische Auseinandersetzung“ seien (taz berichtete). Eine Absage, die unter den BesucherInnen nur für Kopfschütteln sorgte. „So kommen wir im Miteinander einfach nicht weiter, wenn Gesprächsangebote von vornherein ausgeschlagen werden“, sagt einer aus der Versammlung unter Beifall.

So ist es dem verbliebenen Repräsentanten der Rechtskoalition, FDP-Landesvorstandsmitglied Wolfgang Deppert, vorbehalten, die Sorgen und Ängste, die die Muslime mit diesem Hamburger Senat verbinden, zur Kenntnis zu nehmen. Deppert spricht sich zwar für eine „Kultur des Miteinander“ aus, doch muss er sich die Frage gefallen lassen, wie die Partei dann mit einem Ronald Schill gemeinsam regieren kann. Antwort des FDP-Direktkandidaten in Mitte: „Wenn wir Schill nicht in die Regierung aufgenommen hätten, hätte er heute wahrscheinlich 25 Prozent der Wählerstimmen. So aber hat er im Senat bewiesen, dass er das Regieren nicht kann.“

Die VertreterInnen der anderen Parteien haben einen leichteren Stand. Aydan Özuguz (SPD), Antje Möller (GAL) und Yavuz Fersoglu (PDS) müssen sich allerdings auch anhören, dass „wir Muslime uns nur geduldet, nicht integriert fühlen, und daran sind alle Parteien schuld“. So seien SPD und Grüne zwar offener gegenüber anderen Kulturen, aber gleichzeitig „auch am religionskritischsten. Das ist ein Problem für uns Muslime“, sagt einer.

Ein Problem wie auch die Debatte um das Kopftuch der Frauen – ein Thema, das an diesem Abend die BesucherInnen immer wieder umtreibt. „Unsere Frauen sind verunsichert, und man muss schon tief gläubig sein, um sich mit Kopftuch in die Öffentlichkeit zu trauen“, sagt eine. Und auch wenn Deppert sagt, das Kopftuchverbot empöre ihn „zutiefst“ und sei ein Grund, „sich für dieses Land zu schämen“, ist die Skepsis in der Versammlung gegenüber solchen Worten groß. „Politiker, die so etwas sagen, sollten sich auch öffentlich mit kopftuchtragenden Frauen in der Presse fotografieren lassen“, sagt ein Zuhörer: „Nur dann wäre es glaubwürdig.“

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