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Auf den rechten Auge blind

Heute will die NPD in Potsdam gegen jüdische Zuwanderer aus den GUS-Staaten demonstrieren. Verwaltungsrichter genehmigten den Nazi-Aufmarsch. Michel Friedman: „Unerträglicher Freibrief“

von HEIKE KLEFFNER

Mit einem Aufruf, die jüdische Gemeinde in Potsdam angesichts antisemitischer Bedrohungen nicht allein zu lassen, hat sich das Moses-Mendelssohn-Zentrum an der Universität Potsdam gestern an die Öffentlichkeit gewandt. Der Grund: Heute will die NPD unter dem Motto „Schluss mit der Masseneinwanderung russischer Juden. Deutschland den Deutschen“ in Brandenburgs Landeshauptstadt demonstrieren.

Das Oberverwaltungsgericht Frankfurt (Oder) bestätigte am Freitagabend eine entsprechende Entscheidung der Vorinstanz, den Aufmarsch zu genehmigen. Am Donnerstag hatte das Verwaltungsgericht Potsdam die antisemitische Demonstration der Neonazipartei erlaubt. Die Richter hoben mit ihrer Entscheidung ein Verbot des Polizeipräsidiums Potsdam auf, das sich explizit auf den antisemitischen Tenor der NPD-Parole bezog. Nach Ansicht des Polizeipräsidiums erfüllt der NPD-Aufruf unter anderem den Straftatbestand der Volksverhetzung. Außerdem greife „der Bezug auf die Zuwanderung jüdischer Emigranten Kernbestandteile nationalsozialistischen Gedankengutes auf“.

Die Staatsanwaltschaft Neuruppin hatte deshalb ein Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung eingeleitet. Die Richter am Verwaltungsgericht wollten sich dieser Entschätzung nicht anschließen. Es lägen keine „hinreichenden Tatsachen“ für den Straftatbestand der Volksverhetzung vor.

Das OVG schloss sich dem nunan. Das NPD-Motto sei als „politische Meinungsäußerung“ interpretierbar. „Dieses Motto lasse sich nicht nur als ein Aufstacheln gegen Teile der Bevölkerung, sondern auch als Äußerung einer ablehnenden Haltung […] gegen eine bestimmte Einwanderungspolitik verstehen“, so die Richter.

Als „einen unerträglichen Freibrief für antisemitische Gedankengänge“ bezeichnete Michel Friedman, der Vizevorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, die Entscheidung der Richter. Es handle sich um eine „nicht nachvollziehbare juristische Fehlentscheidung“. Friedman sagte, er wünsche sich, „dass die Justiz ihrer Verantwortung gerecht wird, und nicht – wie mit diesem Urteil – die Falschen ermutigt und ihnen auch noch einen Freibrief ausstellt“. Potsdams Oberbürgermeister Jakobs (SPD) und die Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung, Birgit Müller (PDS), rufen zu zivilgesellschaftlichem Protest auf. Unter dem Motto „Potsdam bekennt Farbe“ soll eine Demonstration stattfinden, die auch Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) unterstützt. Mitglieder der Jüdischen Gemeinde in Potsdam wollen sich ebenfalls an Gegenaktivitäten beteiligen. Die „Antifaschistische Aktion Potsdam“ kündigte an, „anstelle von Toleranzfesten weitab der Neonazis“ wolle man „den Aufmarsch mit allen Mitteln verhindern“.

Die knapp 800 Mitglieder der mehrheitlich aus GUS-Zuwanderern zusammengesetzten jüdischen Gemeinden in Brandenburg sind nicht erst seit dem Brandanschlag auf die Belower Gedenkstätte bei Wittstock verunsichert. Vor zwei Wochen hatten bislang unbekannte Täter am Vorabend des jüdischen Neujahrsfestes die Ausstellung zum Todesmarsch von KZ-Häftlingen schwer beschädigt und dazu „Juden haben kurze Beine“ gesprüht. Schon im Januar 2001 hatte ein Brandanschlag auf die Trauerhalle des jüdischen Friedhofs in Potsdam für Entsetzen gesorgt. Damals bekannte sich eine neonazistische „Nationale Bewegung“ zu dem Anschlag. Den Sicherheitsbehörden gelang im Zusammenhang mit der Gruppe, die zwischen 1999 und 2001 18 antisemitische und fremdenfeindliche Anschläge in Potsdam und Umgebung verübte, bislang kein Fahndungserfolg.

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