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Sparen ist fürn Arsch

Abstruse Auswirkungen der Sparpolitik: In einer Schule in Zehlendorf sollen Kinder Klopapier selbst mitbringen. In Steglitz führte Ausgabe von abgezählten Blättern zu heftigen Verdauungsstörungen

„Ein Klopapier-Blatt für Klaus Landowsky, ein Blatt für Norbert Pawlowski, ein Blatt für Wolfgang Rupf …“ Wird das der neue Abzählreim für Berliner Schulkinder? Eine der abstrusen Folgen, die die dem Bankenskandal geschuldete Sparpolitik zeitigt, kann jetzt in mindestens einer Berliner Grundschule besichtigt werden. Die Schüler sollten in Zukunft ihr Toilettenpapier selbst mitbringen, wurde den verdutzten Eltern vor kurzem auf einem Elternabend mitgeteilt. „Wo sind wir denn hier? In einem Entwicklungsland?“, empörten sich einige.

Der Vorfall macht zugleich deutlich, zu welchen Absurditäten angebliche oder tatsächliche Pisa-Reformen im Zeichen der Sparpolitik führen. Die Schulverwaltung von Bildungssenator Klaus Böger (SPD) gibt an, als eine der Konsequenzen aus der Pisa-Misere solle die Autonomie der Schulen weiter gestärkt werden. Bereits jetzt könnten sie in begrenztem Rahmen freier und selbstbestimmter entscheiden, welche Anschaffungen sie mit ihren staatlichen Zuschüssen tätigen wollten.

Atlanten oder Klopapier?

Weil nun aber die Etats immer knapper werden, sah sich die Schulleiterin der Zinnowaldschule im Bezirk Zehlendorf in die Situation gebracht, zwischen der Neuanschaffung von Atlanten und dem Kauf von Toilettenpapier entscheiden zu müssen. Sie wählte die Bücher.

Die Entscheidung ist umstritten, nicht wenige Elternvertreter zeigen sich empört. Tatsächlich wirft ein anderes Beispiel aus Steglitz Zweifel auf, ob die Wahl der Rektorin so klug war. In der Gritznerstraße hatte der Schulleiter der Dunant-Grundschule schon im Jahre 2000 für papierfreie Toiletten gesorgt.

„Groß oder klein?“

Damals jedoch nicht wegen der Sparpolitik, sondern weil nach seiner Aussage einige Schüler Unfug getrieben und ganze Rollen in die Klos geworfen hatten. Die Kinder wurden auf diese Weise gezwungen, alle dringenden Bedürfnisse mehr oder weniger öffentlich bekannt zu machen, damit ihnen die Lehrer eine Papierrolle aushändigten. In mindestens einer Klasse ging der pädagogische Ingrimm einer Lehrkraft so weit, dass die Blätter nur einzeln abgezählt ausgegeben wurden.

„Groß oder klein?“, lautete deshalb die peinsame Frage an die ABC-Schützen nach Erzählung einer Mutter. Folge: Ihre Tochter ging irgendwann überhaupt nicht mehr aufs Klo. Ein weiterer Schüler reagierte mit Darmverstopfung. Nach Darstellung der Mutter litt irgendwann ein Drittel der Klasse an mehr oder weniger massiven Verdauungsstörungen.

Ein Verhalten, das der Rektor allerdings auch auf den Zustand der Schultoiletten schiebt: Ihre Sanierung sei wieder und wieder abgelehnt worden, meint er, es seien dafür einfach keine Mittel vorhanden. Warum nicht? Siehe oben. Kein Klobecken dank Landowsky, kein Klobecken dank Pawlowski, kein Klobecken dank Rupf … USCHE

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