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Männlich, unauffällig, konspirativ – und gerastert

Drei Monate lang standen acht Marokkaner in Hamburg unter dem Verdacht des Terrorismus. Zu Unrecht, wie sich jetzt herausstellte

HAMBURG taz ■ „Hinweise auf konkret geplante Straftaten haben sich nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand nicht ergeben. Eine Anklageerhebung ist wenig wahrscheinlich.“ Diese Aussage von Generalbundesanwalt Kay Nehm beendet für die Familie S. einen monatelangen „Albtraum“: Am 3. Juli 2002 waren Abdelhak S. und sechs weitere Männer in Hamburg unter dem Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorübergehend festgenommen worden. Nachdem die Bundesanwaltschaft zurückrudern musste, forderte die Familie gestern ihre Rehabilitation.

Seit über zehn Jahren leben die marrokkanischen Brüder Abdelhak (31) und Abdelkader (34) in Hamburg. Abdelhak S. ist mit einer Deutschen verheiratet. Sein Bruder Abdelkader betreibt einen Buchladen für islamische Literatur. Im Zuge der „ganz normalen“ Rasterfahndung, die nach den Anschlägen vom 11. September (wieder) eingeführt worden war, wurde Abdelhak S. im Februar vorgeladen und machte eine Aussage bei der Polizei. Damit, glaubte er, sei die Sache erledigt – bis er bemerkte, dass seine Familie und der Buchladen beschattet wurden. Sein Anwalt Manfred Getzmann riet ihm, sich bei der Polizei zu erkundigen. Diese verneinte die Überwachung, überwachte aber weiter.

Familie S., so stellte sie es gestern der Öffentlichkeit dar, habe daraufhin kaum noch das Telefon benutzt und auch Freunde und Besucher des Ladens gewarnt. Verdächtiges „konspiratives Verhalten“, stellte darauf der Staatsschutz fest – und schlug am 3. Juli zu. Der Buchladen und sechs Wohnungen wurden durchsucht, Abdelhak S. und sechs weitere Männer aus Marokko, Afghanistan und Ägypten verhaftet: Sie seien islamische Fundamentalisten. Einzelne hätten einen Märtyrereid geschworen. Eine Verbindung zu al-Qaida wurde aber nur einem der Männer vorgeworfen. Der Buchladen wurde behördlich geschlossen.

Nach Auswertung der Abhörprotokolle spricht Nehm nun nur noch von einer „einem Märtyrereid ähnlichen Äußerung“. Eine „Ermittlungspanne“ weist er allerdings zurück. Die Auswertung des Beweismaterials sei auch noch nicht endgültig abgeschlossen. Per Eilantrag hat die Familie die Öffnung des Buchladens inzwischen gerichtlich durchgesetzt. Allerdings hat die Vermieterin zum Ende des Jahres die Räume gekündigt. Getzmann wirft den Ermittlern vor, ohne hinreichende Beweise Stimmung gegen Muslime gemacht zu haben. HEIKE DIERBACH

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