: „Bin Laden ist kein Gelehrter“
El Motassadeq bestreitet, von den geplanten Anschlägen gewusst zu haben. Verteidigung kritisiert „Vorverurteilung“ und Weitergabe von Details aus den Akten an die Medien. Gesinnung allein belege noch keine Täterschaft
Die Verteidiger von Mounir El Motassadeq werfen der Bundesanwaltschaft (BAW) vor, den Vorwurf der Mordbeihilfe in über 3000 Fällen allein mit dem Kontakt ihres Mandanten zum Attentäter Mohammed Atta und mit seiner Gesinnung zu erklären. „Die aber ist in der islamischen Welt weit verbreitet und nicht geeignet, Terror daraus abzuleiten“, sagte Rechtsanwalt Hartmut Jacobi gestern am Rande des ersten Verhandlungstages vor dem Oberlandesgericht.
Auch dass El Motassadeq, wie er gestern vor Gericht einräumte, voriges Jahr in einem Ausbildungslager in Afghanistan war, könne ihn nicht als „Terroristen“ überführen: „Dorthin sind Tausende Moslems gepilgert.“ Jacobi kritisierte, dass sein Mandant schon lange vor Prozessbeginn in den Medien als Mittäter verurteilt worden sei. Dabei „gilt bis zu einem Urteil auch für ihn die Unschuldsvermutung“.
Details aus der Anklageschrift seien an die Medien gelangt – mit beeindruckendem Ergebnis: „Inzwischen ist der Angeklagte zum Al-Quaida-Paten und Statthalter bin Ladens aufgestiegen.“ Vom Gericht erhofft sich Jacobi, dass es „unserem Mandanten einen fairen Prozess bereitet“.
El Motassadeq hat gestern umfassend zu allen Anklagevorwürfen ausgesagt. Von den geplanten Anschlägen der „Harburger Zelle“ rund um den Hauptattentäter Mohammed Atta habe er nicht gewusst, beteuerte der Angeklagte. Zwar habe er sich oft mit Atta zum Essen und Beten getroffen und sei auch in dessen Wohnung verkehrt. Dabei sei aber nie über Terroranschläge gesprochen worden.
Die Bundesanwaltschaft hingegen beschreibt die „Harburger Zelle“ um Mohammed Atta als „Teil eines weltweit agierenden Terrornetzes von radikalen Moslems unter maßgeblicher Führung der al-Quaida“. Auch deren mutmaßlicher Anführer Ussama bin Laden war gestern Thema im Prozess. Auf die Frage, ob El Motassadeq in Attas Wohnung Kassetten von bin Laden gehört habe, antwortete der Angeklagte: „Ich glaube, bin Laden hat keine Kassetten. Er ist kein Gelehrter.“
Elke Spanner
siehe auch BERICHT S. 5
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen