piwik no script img

„Ich habe Angst vor einem Weltkrieg“

Mohammed Herzog fürchtet, dass ein Irakangriff nicht lokal begrenzt bleibt. Er spricht morgen auf der Demo

taz: Herr Herzog, wie ist die Stimmung in den islamischen Gemeinden?

Mohammed Herzog: Wir sind gegen den Krieg. Es gibt zwar auch einige Muslime hier in der Stadt, die gegen das sind, was ich nun sage. Aber unser Koran fordert uns nicht auf, Krieg zu führen. Stattdessen müssen wir dafür sorgen, dass es den Leuten in den muslimischen Ländern besser geht. Die Regierungen dieser Länder sind selbst schuld, dass die Bevölkerung gegen sie ist.

Was würde ein Irakkrieg in den deutschen Gemeinden für Reaktionen auslösen?

Es gibt einige Muslime, die dann vielleicht sagen könnten, wir müssen dort helfen. Wenn der Irak angegriffen wird, ist es logisch, dass er sich verteidigt. Nachbarländer könnten sich dann mit dem Irak verbünden, und ich habe Angst, dass es dann zu einem Weltkrieg kommt.

Werden aus den muslimischen Gemeinden viele Demonstranten kommen?

Ich hoffe es. In den Gemeinden ist dazu aufgerufen worden. Nach dem Koran müssen wir Konflikte durch Gespräche lösen.

Was werden Sie am Samstag bei der Kundgebung sagen?

Ich werde sagen, dass wir als Muslime weltweit nicht nur gegen den Irakkrieg sind, wir verurteilen auch die Kriege in Palästina, Israel und Afghanistan. Alle Länder der Welt müssen abrüsten. Ich fordere die Bundesregierung auf, dass sie auch künftig den Irakkrieg ablehnt.

Welche Alternativen zum Krieg sehen Sie?

Einen Krieg des Redens, das wäre das Vernünftigste. Die UN-Beobachter müssen weiter kontrollieren, dass es im Irak keine Massenvernichtungswaffen gibt, und vielleicht sollte umgekehrt Amerika genauso seine Waffen kontrollieren lassen.

Es gab bei den Bush-Demonstrationen auch antiamerikanische und antiisraelische Parolen, teilweise sogar antisemitischen Äußerungen. Wie soll damit umgegangen werden?

Dass die amerikanische Flagge angezündet wird, zu so etwas darf es nicht mehr kommen. Die jungen Leute, die in den muslimischen Ländern auf die Straße gehen und schreien: „Amerika muss vernichtet werden“, dass sind ja alles Mitläufer, die gar nicht wissen, um was es geht. Ich rufe die Muslime weltweit auf, dass wir Aufklärung machen.

Was für eine Art Aufklärung wünschen Sie sich?

Die Regierungen und Könige der islamischen Länder sind sehr weit vom Koran weg. Die arbeiten nur daran, dass es ihnen gut geht. Sie kümmern sich einen Dreck darum, wie es den Menschen geht. Wenn aber Amerika gewollt hätte, dass Saddam Hussein umgebracht wird, dann hätten die das schon längst machen können. Ich habe den Eindruck, die brauchen den Mann.

Sie fordern also, dass in der arabischen Welt durch die Rückbesinnung auf die tatsächlichen Inhalte der Religion friedliche Konfliktlösungen gefunden werden?

Ja, das fordere ich.

INTERVIEW: TILL BELOW

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen