Russlands Öl läuft wie geschmiert

Exporte und Förderung auf höchstem Stand seit Zerfall der Sowjetunion – trotz Druck der Opec. Russland größter Exporteur der Welt. Ölkonzerne modernisieren sich mit westlichem Know-how und expandieren in neue Märkte, vor allem in die USA

Trotz der Annäherung sind die Beziehungen zu den USA nicht wirklich entspannt

aus Moskau KLAUS-HELGE DONATH

Moskau trumpft gerne auf, eigene Rekorde sind immer ein willkommener Anlass, sich selbst zu feiern. Dass Russland im September erstmals zum größten Erdölexporteur der Welt aufgestiegen ist, war dem Kreml unterdessen keine Triumphesmeldung wert. Der Grund: Moskau wollte die Organisation der erdölexportierenden Länder (Opec) nicht über Gebühr reizen. Vor allem Saudi-Arabien hatte sich nach den Anschlägen vom 11. September bemüht, Russland auf eine gemeinsame Preispolitik und niedrigere Förderquoten zu verpflichten. Die Warnungen aus Riad, den Konkurrenten durch Dumping in die Knie zu zwingen, schlug der Kreml in den Wind.

Mehr noch. In den ersten acht Monaten des Jahres stieg die Fördermenge um 8,6 Prozent. Schon vor dem 11. September hatte Russland in aller Stille die Produktion um eine halbe Million Barrel täglich angehoben und im August mit 7,76 Millionen Barrel pro Tag die Konkurrenz im Nahen Osten endgültig überrundet. Zum Vergleich: Die ehemalige Sowjetunion pumpte mit 12,5 Millionen Barrel fast ein Fünftel des weltweit geförderten Öls aus der Erde.

Noch etwas haben die Saudis übersehen: Der Kreml kann die Födermengen nicht mehr einfach per Order beschränken. Die ehemals staatlichen russischen Großunternehmen in der Ölbranche haben bereits vor den Anschlägen von New York erhebliche Anstrengungen unternommen, um in der Weltwirtschaft mitzumischen. Mittlerweile sind sie nicht mehr nur auf kurzfristigen Gewinn ausgerichtet, sondern orientieren sich an den Vorgaben der internationalen Finanzmärkte. Kapital wird so schnell wie möglich reinvestiert.

Zu den größten Ölgesellschaften zählen die Firmen Yukos, Lukoil und Sibneft. Besonders Yukos ist es in den letzten Jahren gelungen, die Produktion zu steigern und Förderkosten zu senken, nicht zuletzt dank Technik und Management aus dem Westen. Experten schätzen, dass die Förderkosten in den russischen Ölgebieten im Schnitt nur noch halb so hoch liegen wie in Europa oder den USA.

Natürlich versucht Moskau aus der veränderten Weltlage auch politisches Kapital zu schlagen. Washingtons Bestrebungen, sich von der Abhängigkeit der Staaten am Persischen Golf zu lösen, kommt dabei wie gerufen. Dabei schielen Kreml und Energiegiganten auf den nordamerikanischen Markt, der bisher fast ausschließlich von der Opec beliefert wurde. Im Mai kündigte Russland daher die Übereinkunft zur Exportbeschränkung mit dem mächtigen Ölkartell auf, die erst im Januar in Kraft getreten war. Die USA, die fast ein Drittel des weltweit geförderten Öls verbrauchen, beziehen rund fünfzehn Prozent aus Saudi-Arabien, auf Russland entfiel bislang weniger als ein Prozent.

Russische Unternehmen sind auch bestrebt, in den USA zu investieren. So erwarb Lukoil, Russlands größter Ölschürfer, schon im Vorjahr die Getty-Kette mit 1.300 Tankstellen. Zur Überraschung des Nachbarn Finnland plant Moskau zudem im nächsten Jahr in Wysotzk an der Ostsee bei St. Petersburg ein zweites Terminal zu eröffnen. Von hier sollen „Ural“-Großtanker die Getty-Tankstellen mit Benzin beliefern.

Im Mai auf dem Moskauer Gipfel hatten die Präsidenten Bush und Putin bereits eine Energiepartnerschaft vereinbart. Das erste russische Öl verließ im Juli den Schwarzmeerhafen Noworossisk Richtung USA.

Allerdings behindern das überlastete Pipelinenetz und die Transportroute über die Dardanellen und das Mittelmeer einen nennenswerten Anstieg des Exports. Yukos und Lukoil wollen daher in den USA Investoren suchen, die sich am Bau einer Pipeline zum eisfreien Nordmeerhafen Murmansk an der sibirischen Ostküste beteiligen.

Auch daran wird sich zeigen, ob Washington über den Tag hinaus auf eine energiestrategische Partnerschaft setzt. Denn trotz einer Annäherung seit der Antiterrorkoalition haben sich die Beziehungen nicht wirklich entspannt. Gegen den Willen Russlands bauen die USA von Baku am Kaspischen Meer über Georgien ins türkische Ceyhan eine 1.700 Kilometer lange Pipeline. Moskau leistete bis zum Schluss Widerstand, weil es eine Route durch den russischen Kaukasus nach Noworossisk favorisiert hatte.