: Stiefelverbot im Westerwald
Mit der Schule in Westerburg beginnt eine berufsbildende Schule, rechtsradikale Uniformen zu verbieten: Bomberjacke und Springerstiefel. Schüler und Lehrer dulden keine Symbole, „durch die sich andere bedroht oder verunglimpft fühlen könnten“
aus Westerburg KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT
Bomberjacken und Springerstiefel sollen an einer Berufsschule im Westerwald niemanden mehr erschrecken. Das jedenfalls will der Schulausschuss der Berufsbildenden Schule Westerburg durchsetzen – mit einem ungewöhnlich weit reichenden Verbot. „Erscheinungsformen rechts- und linksradikaler Gesinnung sowie gewaltbereiter Gruppen (z. B. Kleidung, Schuhe, Symbole) werden nicht toleriert“, heißt es in dem Beschluss. „Das Gleiche gilt für Kennzeichen, durch deren Symbolgehalt sich andere bedroht oder verunglimpft fühlen könnten.“ Als Bundesfamilienministerin Christine Bergmann vergangenes Jahr ein solches Verbot anregte, hatte es quer durch die Republik vielerlei Bedenken gegeben. Vor allem Schulen in Ostdeutschland hatten dennoch entsprechende Kleiderordnungen eingeführt.
Der kategorische Westerwälder Weg ist trotzdem ein Novum. Die Westerburger Schule erweitert die Kleidervorschriften nicht nur auf die berufliche Bildung. Sie bezieht auch die Schüler selbst in die Entscheidung mit ein. Dem Schulausschuss, der den Beschluss initiierte, gehören Schüler und Lehrer an – mit gleichem Stimmgewicht. Auch die Elternsprecher sind dort vertreten. Daher ist der Vizeschulleiter Rainer Gros stolz, ein „breites Bündnis“ gegen politisch inkorrekte Kleidung präsentieren zu können.
Die Schule, die von rund 2.500 Auszubildenden aus der Region besucht wird, hat immer wieder Schwierigkeiten mit Rechten. „Ein paar Rechtsradikale mit Verbindung zur NPD“, so berichtet etwa die Berufsschülerin Melanie (16), seien selbst in den Pausen als geschlossene Gruppe aufgetreten. Sie hätten andere Schüler „dumm angemacht“. Die Berufsschülerin ist aber skeptisch, ob allein eine neue Kleiderordnung dagegen helfe. Melanie weiß auch gar nicht genau, was sie nun nicht mehr anziehen darf: „Ich hab doch selbst ein Pitbull-T-Shirt – und ich bin ganz bestimmt nicht rechts- oder linksradikal.“ Auch Daniela (15), die das Gymnasium gleich nebenan besucht, hält nicht viel von dem „Klamottenverbot“. Die Jungs mit den Bomberjacken nennt sie Angeber. Und diese Angeber hätten bislang keinem Ausländer in Westerburg auch nur ein Haar gekrümmt.
Melanie wird ihr Pitbull-Shirt weiter tragen dürfen. Die in der Szene beliebte Marke hat der stellvertretende Rektor nicht auf dem Kieker. Aber „Lonsdale“ ist ihm ein Dorn im Auge. Shirts mit dem Aufdruck „Lonsdale“, weiß Steffen Gros, würden gerne von Neonazis getragen. Denn lässt man die Jacke offen stehen, sind auf dem Hemd nur noch die Buchstaben „ns“ zu sehen.
Nicht toleriert werden Aufdrucke und Embleme mit der Zahl „88“, die „Heil Hitler!“ symbolisiere (das „H“ ist der achte Buchstabe im Alphabet). Das Gleiche gilt für Springerstiefel. Mit weißen Schnürsenkeln versehen sind sie das Erkennungszeichen für weiße Rassisten. In Westerburg dürfen keine Symbole mehr gezeigt werden, die der Verfassungsschutz auf den Index gesetzt hat.
Dass sich der Erlass auch gegen „Erscheinungsformen linksradikaler Gesinnung“ richtet, erklärt Gros damit, dass die neue Satzung ausgewogen sein müsse. Allerdings: Ein Beispiel für linkes Outfit fällt ihm nicht ein. Die ganze Sache steht für ihn unter dem Motto: „Wehret den Anfängen – rechts wie links“.
Die erkennbaren Rechtsradikalen haben nach Auskunft Gros’ unter den Schülern noch keine Gewalttaten verübt. Es habe aber Beschwerden über deren martialisches Auftreten gegeben. „Viele fühlen sich eingeschüchtert“, so Gros. Die Schule habe etwas unternehmen müssen. „Auf dem Land sind die Neonazis schon eine Plage“, berichtet ein Berufsschüler, der seinen Namen nicht nennen will. Er findet es „gut, dass denen jetzt einmal die Grenzen aufgezeigt werden“.
Das Verbot sollen zuallererst die Lehrer durchsetzen. So will es die Schulleitung, die auf ihr Hausrecht und die Schulordnung pocht. Wer sich an die neuen Kleidervorschriften nicht hält, kann vom Unterricht oder gar von der Schule verwiesen werden. Auch die Lehrherren der Schüler, die ja nur einen Teil ihrer Ausbildung in der Schule verbringen, akzeptieren das Verbot. Genauso die Handwerkskammer.
Böse Zungen im Ort behaupten allerdings, dass die Beschwerden über „rund 15 Berufsschüler mit erkennbar rechtsradikaler Gesinnung“ (Gros) nicht von deren Mitschülern gekommen seien, sondern von besorgten Eltern der Schüler des Gymnasiums nebenan. Diese hätten „beste Beziehungen zur Politik“.
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