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Meilenstein auf dem Weg nach Olympia

Das deutsche Frauenboxen hinkt international hinterher. Ein Großkampftag der Amateurinnen am Wochenende in Hamburg soll die Popularität der Sportart steigern und ihre Akzeptanz im deutschen Verbandswesen fördern

HAMBURG taz ■ Es ist acht Jahre her, dass in Hamburg erstmals zwei deutsche Amateurboxerinnen gegeneinander antraten. Erst neun Monate später hob der Deutsche Boxsport-Verband das Boxverbot für Frauen auf. Nun soll – wieder in der Hansestadt – ein weiterer Meilenstein in Sachen Frauenboxen gesetzt werden. Diesmal sind es jedoch fast sechzig Frauen, die am Wochenende beim Box-Cup der Frauen gegeneinander antreten.

Der neue Meilenstein ist nötig, denn im internationalen Vergleich hinkt Deutschland ziemlich hinterher. Während sich sogar Inderinnen bei der Weltmeisterschaft in Antalya im Oktober Medaillen sicherten, haben die Boxerinnen hierzulande noch nicht mal eine Deutsche Meisterschaft. Zwar sind die Zeiten vorbei, da man öffentlich erklärte, Frauen seien aus „ethischen und gesundheitlichen Gründen“ fürs Boxen ungeeignet (AIBA-Generalsekretär, Karl-Heinz Wehr, 1990), richtige Begeisterung für die Verstärkung vom anderen Geschlecht will in den deutschen Box-Verbänden jedoch nicht aufkommen. Bundestrainer Helmut Ranze sieht derzeit keine Möglichkeit, die Boxerinnen zu fördern, denn finanzielle Fördermittel gebe es nur für olympische Disziplinen. In der Tat ist das Boxen die einzige Sportart, die bei Olympischen Sommerspielen ohne Beteiligung von Frauen ausgetragen wird. Auch der Antrag auf Zulassung für die Spiele 2008 wurde vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) wegen zu geringer globaler Beteiligung abgelehnt.

Für die Situation des Frauenboxens in Deutschland spiele dieser Umstand jedoch keine Rolle, erklärt Eugen Gerber vom Deutschen Sportbund (DSB). Der Referent für Leistungssport erinnert sich an eine Anfrage des Deutschen Boxsport-Verbands (DBV) zwecks Frauenförderung, „die haben das mal ausgelotet“. Das hätten sie sich aber sparen können, so der Judoka, denn für den Aufbau von Leistungssportsystemen sei allein der Verband zuständig. Mit Hilfe von Startgeldern und Vereinsbeiträgen müssten die nötigen Strukturen bis zu den Deutschen Meisterschaften geschaffen werden, bevor die Voraussetzungen für eine Förderung erfüllt sind.

Peter Kienast vom DBV erklärt: „Ich habe gar nichts gegen das Frauenboxen“, sieht aber trotzdem keinen Grund zum Handeln, denn es gebe viel zu wenig Frauen, die gefördert werden wollten. Für ein vom Verband ausgeschriebenes Bundesturnier, so Kienast, hätten sich im Vorjahr gerade mal sechs Teilnehmerinnen gemeldet. Kein Wunder, findet die Boxerin Petra Langenbrink. Die Einladung dazu, erinnert sich die Lüneburgerin, habe sie zwei Wochen vor Beginn erhalten. „Bei den Männern werden Turniere schon Monate vorher angekündigt.“ Die meisten hätten von diesem Turnier gar nichts gehört. „So was versickert dann einfach in den Landesverbänden.“ Dass nicht alle Landesfürsten Interesse am Frauenboxen zeigen, weiß auch Kienast. Einfluss darauf nehmen „können wir nicht, das wollen wir auch nicht“.

Nach Ansicht des Sportwissenschaftlers Dr. Siegfried Ellwanger macht der Verband damit einen Fehler. Frauen könnten, sinnvoll gefördert, dazu beitragen, dass der derzeit ziemlich unpopuläre Amateurboxsport wieder an Format gewinnt. Der eher technisch betonte Stil der Frauen hebe die sportliche Seite des Boxens hervor. Und ebendies brauche der Amateurboxsport, um sich vom Profigeschäft wieder mehr abzugrenzen, ein anderes, breiteres Publikum anzusprechen, erklärt der Dozent der Uni Potsdam. Denn das ramponierte Ansehen hätte um ein Haar das olympische Aus für den gesamten Boxsport bedeutet. Nur unter Vorbehalt und mit dem Hinweis auf einen notwendigen Imagewechsel, betont der Vorsitzende der Programm- Kommission des IOC, Franco Carraro, bleibe die Sportart weiter im olympischen Programm.

So bleibt noch viel zu tun, damit auch 2012 olympisch geboxt wird. Ob die Boxerinnen in zehn Jahren ebenfalls dort angekommen sind, wird jedoch bezweifelt. „Das Frauenboxen hat ja erst begonnen“, findet der Ehrenpräsident des Nationalen Olympischen Komitees (NOK), Walther Tröger. Und wie fast alle Frauen aus männerdominierten Sportarten müssen auch die Boxerinnen wohl ein gutes Stück des Weges alleine gehen: Wettkämpfe organisieren, zu internationalen Meisterschaften fahren und die Medaillen weit aus dem Fenster hängen, bis die Anerkennung kommt. Solange bleibt nur die Gewissheit, dass sich die Zeit nicht zurückdrehen lässt. Eugen Gerber erinnert sich noch an die ersten Frauen im Judo vor 25 Jahren: „Die wurden damals auch nur belächelt, und heute kräht kein Hahn mehr danach.“

MONA HOPE

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