piwik no script img

Kein Diesel soll ohne Filter fahren

Baut endlich Rußfilter in Diesel-Pkws ein, fordert ein Bündnis von Umweltverbänden und Automobilclubs. Die Technik ist vorhanden, doch die deutsche Industrie blockiert. Damit nimmt sie 8.000 Tote pro Jahr in Kauf. Politik sagt Unterstützung zu

aus Berlin HANNA GERSMANN

Der Brief, den Jürgen Schrempp, Bernd Pischetsrieder und die anderen Vorstandsvorsitzenden der deutschen Automobilhersteller gestern auf ihre Schreibtische bekamen, ist eindeutig: „Wir fordern Sie dazu auf, spätestens zum 1. Juli 2003 alle Dieselfahrzeuge mit Rußfilter oder einer vergleichbaren Technik auszustatten.“ Absender: die Initiative „Kein Diesel ohne Filter“. Gestern stellte sich dieses Bündnis mehrerer Umweltverbände, des Verkehrsclubs Deutschland (VCD), der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und des Deutschen Kinderschutzbunds zum ersten Mal vor – und übte scharfe Kritik an der „Verschleppungstaktik“ der Automobilindustrie.

Seit mittlerweile 15 Jahren weigern sich DaimlerChrysler, BMW, Volkswagen und Opel, Partikelfilter in Dieselautos einzubauen. Das sei „schlicht skandalös“, erläuterte Gerd Lottsiepen vom Verkehrsclub Deutschland.

Die Fakten geben ihm Recht: Das Umwelt und Prognoseinstitut Heidelberg rechnet mit jährlich 8.000 Toten durch Rußpartikel in Dieselabgasen. Die Partikel verursachen vor allem Lungenkrebs, daneben aber auch Atemwegs- und Herzerkrankungen. „Besonders gefährdet sind Kinder“, erläutert Dieter Schwela von der WHO. Die Abgase würden in ihrer Atemhöhe ausgeblasen.

Dass das Problem mit einem Abgasfilter in den Griff zu kriegen ist, haben die europäischenKollegen bereits vorgemacht: Peugeot, Citroën und Fiat statten ihre Diesel-Pkws serienmäßig mit einem Filter aus, der „das Risiko um weit mehr als 90 Prozent mindert“, so Stefan Bundscherer vom BUND. Doch die deutsche Industrie verweigere sich der Rußfilter-Technologie mit den gleichen Argumenten wie beim Katalysator Anfang der 80er-Jahre, beklagt Axel Friedrich vom Umweltbundesamt: „Damals hieß es: Das geht nicht, das funktioniert nicht. Und dann ging es doch ganz schnell.“ Gemeinsam mit dem ADAC hat er bereits einen Pkw mit Rußfilter über 80.000 Kilometer getestet. Ergebnis: tauglich. „Der Motor verbraucht nicht mehr und hält genauso lange.“

Der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, forderte als Koordinator der Aktion die Bundesregierung auf, Steuervorteile für Fahrzeuge mit Rußfilter zu schaffen. Neufahrzeuge sollten mit 300 Euro Steuervorteil gefördert werden. Das entspräche etwa der Hälfte der zu erwartenden zusätzlichen Kosten. Wer sein altes Fahrzeug nachrüsten wolle, solle 600 Euro bekommen. Laut Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) gibt es eine solche Förderung bereits: Sofern die Fahrzeuge die ab 2005 gültigen strengen EU-Abgaswerte einhielten, würden sie mit bis zu 614 Euro steuerlich begünstigt.

Bis auf die FDP hatten bis gestern Nachmittag alle Bundestagsfraktionen Unterstützung zugesagt, damit Rußfilter im nächsten Jahr zum Standard werden. Einzig und allein der Verband der Automobilindustrie (VDA) wandte sich dagegen: Die deutschen Unternehmen seien bereits seit Jahren Vorreiter in Sachen Umwelttechnologie.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen