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Union entdeckt noch eine Wahllüge

Das Wörtchen „Haushaltsvorbehalt“ alarmiert die Kultusminister von CDU und CSU: Sie fürchten um 4 Milliarden Bundes-Euro für die Ganztagsschulen. Bildungsministerin Bulmahn hingegen sieht „kein Problem“ und fordert, nicht herumzumäkeln

von CHRISTIAN FÜLLER

Es war eine empörende Entdeckung der Unions-Kultusminister. Hessens Karin Wolff, Baden-Württembergs Annette Schavan und ihre Kollegen schlugen Alarm, nachdem sie das Angebot der rot-grünen Bundesregierung studiert hatten: Dort wird den Ländern Unterstützung beim Aufbau von Ganztagsschulen angekündigt; immerhin vier Milliarden Euro will der Bund investieren. Doch das Projekt sei vermutlich eine Wahllüge, trompetete Monika Hohlmeier (CSU), Bayerns Schulminsterin.

Was die Unions-Damen so erregt, ist ein Haushaltsvorbehalt in der Bund-Länder-Vereinbarung „Zukunft Bildung und Betreuung“. Die Fördermittel fließen nur unter der Bedingung, dass es im Bund keine Etatprobleme gibt. Hat man in Berlin also nur die halbe Wahrheit gesagt? Muss auch Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) vor den Wahllügenausschuss, den die Union beantragen will?

Die Ministerin hält dagegen. „Da werden Probleme gesucht, wo keine sind“, sagte sie zur taz. Der Vorbehalt sei üblich und aus juristischen Gründen zwingend, solange der Bundestag den Etat 2003 noch nicht beschlossen habe. Die Ministerin bat ihre Länderkollegen, mit dem Angebot konstruktiv umzugehen und nicht nur herumzumäkeln. Die Unionisten hatten unter anderem bemängelt, dass sie an Schulen Schilder aufstellen sollen, die den Bund als Sponsor ausweisen.

Für Rot-Grün wäre es ein schwerer Rückschlag, wenn das prominenteste Koalitionsprojekt scheitern würde. Nach der Pisa-Länderstudie, die dramatische Kompetenzunterschiede bei Schülern nicht nur zwischen Bremen und München ermittelte, hatte der Kanzler im Sommer Geld lockergemacht. Der Bund bezahlt bis 2007 den Umbau von 10.000 Schulen, so dass sie für den Ganztagsbetrieb gerüstet sind. Er finanziert Labore genauso wie die Einrichtung von Speisesälen. Für das Personal hingegen müssen nach dem Grundgesetz die Länder aufkommen.

Mit den SPD-regierten Ländern hat Bulmahn weniger Probleme. Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen haben der Schulhilfe laut Spiegel bereits zugestimmt. Auch Rheinland-Pfalz steht kurz vor der Einigung. „Das Ganztagsprogramm ist uns zur Unterstützung unserer eigenen Pläne willkommen“, sagte Bildungsministerin Doris Ahnen (SPD) der taz. Rheinland-Pfalz hat als erstes Land bereits 2001 mit dem Umbau von Schulen zu Ganztagseinrichtungen begonnen. Mainz will 300 Schulen finanziell und mit zusätzlichen Lehrern unterstützen.

Dass die Unions-Länder das Angebot ablehnen, erwartet niemand. Bayern etwa hat selbst ein teures Ganztagsprogramm aufgelegt. München fördert formell allerdings nicht Ganztagsschulen, sondern Nachmittagsbetreuung für Schüler. Der bayerische Städtetag sieht dies kritisch, weil Ministerin Hohlmeier das Programm nur zu 40 Prozent bezahlt. Den Rest der Kosten überlässt sie den Kommunen – und sogar die Eltern müssen mitbezahlen.

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