IRAKRESOLUTION: DIE GRÜNEN WECHSELN MAL WIEDER IHRE POSITION: Fischer macht es Bush leichter
Wer grün wählt, hat ein anstrengendes Leben. So sollte der Grünwähler im Idealfall keiner Beschäftigung nachgehen, denn diese Partei erfordert so viel Aufmerksamkeit, dass jeder andere Job zum Nebenerwerb verkäme. Insbesondere empfiehlt es sich, keine Bundesvorstandssitzung zu verpassen. Einmal nicht hingehört, schon hat die grüne Partei eine neue Linie. Das neue Führungsduo Beer und Bütikofer hat das jetzt beim Irak demonstriert.
Bis zur Vorstandssitzung am Montag dieser Woche galt in Sachen Irak der Beschluss des Parteitags. Der war gerade acht Tage alt und legte in schöner Eindeutigkeit fest, im Falle eines Angriffs der USA ohne UN-Mandat sei den Vereinigten Staaten jede deutsche Unterstützung zu versagen, Überflugrechte inklusive. Seit Montag ist der Beschluss beerdigt – und die Eleganz der Vorsitzenden Beer und Bütikofer würde selbst noble Bestattungsunternehmen neidisch machen.
Geistiger Kopf der Aktion ist Joschka Fischer. Als Angelika Beer noch den Parteitagsbeschluss verteidigte, schwenkte der heimliche Vorsitzende bereits um. Sein Diktum, die Warnung vor einem US-Alleingang sei eine Debatte von gestern, klang zunächst rätselhaft. Jetzt hat Bütikofer verkündet, wie es gemeint war: Nach grüner Ansicht ist die Sorge über ein fehlendes UN-Mandat unbegründet, denn das Mandat liegt bereits vor. Nach dieser Logik ist ein US-Alleingang per definitionem unmöglich, denn jeder US-Angriff auf den Irak ist ein UN-mandatierter Einsatz. Ganz aus der Welt gegriffen ist die Interpretation nicht, nur wurde sie bisher von einem Mann vertreten, der nicht zu den größten Idolen der Grünen zählt: George W. Bush.
Der deutsche Außenminister und seine Partei geben mit ihrem Positionswechsel einen wichtigen Kampf vorzeitig verloren. Sie beugen sich Bushs Auslegung der Sicherheitsrats-Resolution 1441, wonach die USA kein erneutes Mandat für einen Angriff brauchen. Der Resolution gingen jedoch verbissene Verhandlungen voraus. Der zuletzt gefundene Kompromiss lässt bewusst offen, ob die USA den Sicherheitsrat erneut um ein Mandat ersuchen müssen, ehe sie gegen Saddam losschlagen. Selbst wer, wie die Bundesregierung, den Krieg ablehnt, sollte auf einem Minimum an Kontrolle durch die Vereinten Nationen bestehen – alleine schon um der Stärkung der UN willen. Davon hat Fischer sich verabschiedet. Sicher ist nur eins: Sollten die USA überraschend doch noch um ein explizites Mandat bitten, werden es sich die Grünen als ihr Verdienst zugute halten. Manchmal gilt: Wer grün wählt, hat nicht nur ein anstrengendes, sondern auch ein schweres Leben. PATRIK SCHWARZ
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