Kommentar Ausschluss bei Essener Tafel: Essen für die deutsche Oma
Die Tafel in Essen will keine Ausländer*innen mehr registrieren. Anstatt Probleme zu lösen, verbreitet die Tafel damit rassistische Stereotype.
D ie Essener Tafel nimmt zurzeit nur noch Bedürftige aus Deutschland neu in ihre Kartei auf. Dazu hatte sich der Verein entschlossen, nachdem zuletzt etwa drei viertel der Nutzer*innen Flüchtlinge oder „Zugezogene“ gewesen seien, sagte der Vorsitzende, Jörg Sartor, der WAZ.Und lässt sich mit den Worten zitieren: „Wir wollen, dass auch die deutsche Oma weiter zu uns kommt.“
Nach seiner Darstellung sind nämlich zuletzt gerade ältere Frauen und Alleinerziehende zunehmend weggeblieben, weil sie sich vom Verhalten junger Männer an der Ausgabestelle abgeschreckt gefühlt hätten.
Damit tut er zwei Dinge, die sich auch schon in den Diskussionen um Wohnungsnot, Arbeitsplätze und Sicherheit beobachten lassen: Er spielt erstens eine hilfsbedürftige Gruppe gegen eine andere aus. Und stellt zweitens die Gruppe der Flüchtlinge vor allem als aggressive Männer dar, vor denen andere – in diesem Fall eben Tafelbesucher*innen – beschützt werden müssten.
Rassistische Klischees statt Regeln
Letzteres ist so vereinfachend wie falsch. Denn wenn es der Essener Tafel darum geht, eine aggressive Stimmung an den Ausgabestellen zu vermeiden – was ja komplett verständlich wäre –, könnte sie einfach Regeln aufstellen und alle, die sich nicht daran halten, ausschließen. Sie müsste dann nicht pauschal nach Herkunft sortieren.
Meistens gibt es solche Regeln sogar sowieso schon, jedenfalls haben die Stellen, an denen die Lebensmittel ausgegeben werden, meist Kirchen oder soziale Träger, oft eine eigene Hausordnung. Falls das Verhalten von einigen Nutzer*innen dort also das drängendste Problem ist, kriegt die Tafel es mit ihrer angekündigten Maßnahme auch gar nicht in den Griff. Denn Probleme bereiten ja angeblich Menschen, die jetzt schon die Tafel nutzen – diese sind und bleiben registriert. Solche Konflikte könnte die Tafel leicht als Einzelfälle lösen. Hier mit einem rassistischen Klischee zu argumentieren wirkt vorgeschoben und ist unehrlich.
Schwerer wiegt noch, dass hier Bedürftige gegen Bedürftige ausgespielt werden. Denn hinter dem Schrei „Erst wir, dann die!“ klingt ein unangenehmes Echo nach. Es ist der Schrei von denen, die eines nicht verstehen – oder nicht verstehen wollen: Bestehende Probleme werden nicht dadurch größer, dass Flüchtlinge in Deutschland leben. Ein Verteilungskampf zwischen Gruppen mit eigentlich gleichen Anliegen und Bedürfnissen führt zu nichts.
Hetze von rechts
Der Schrei „Wir zuerst!“ hallt besonders laut in den Kommentarspalten von rechten Hetzern. Einige Tafeln mussten bereits gegen Vorwürfe von AfD-Seite angehen, dass sie Flüchtlinge angeblich bevorzugten.
Es ist auch nicht das erste Mal, dass eine der regionalen Ausgabestellen der bundesweit insgesamt über 930 Tafeln beschließt, Flüchtlinge von der Lebensmittelausgabe auszuschließen oder deren Anzahl zu begrenzen. Mal begründen die Tafeln das damit, dass sie generell weniger Essen zu verteilen haben als früher, und so die Menschen, die schon lange zu ihnen kommen, weiter unterstützen möchten. Mal damit, dass sie das Essen gleichmäßig und gerecht verteilen wollen.
Doch es gibt auch die andere Seite: die Ausgabestellen, die Flüchtlinge seit Jahren mitversorgen und die sich dagegen wehren, dass ihr Engagement für rechte Hetze gegen Flüchtlinge und eine „Wir zuerst“-Haltung missbraucht wird. Ausgabestellen, an denen sich nicht zuletzt auch Flüchtlinge selbst ehrenamtlich engagieren.
Auch in Essen hat das ja bisher so geklappt. Mit ihrem jetzigen Beschluss haben sie ihre klare Haltung aber aufgegeben, ohne damit das von ihnen wahrgenommene Problem zu lösen. Es hat etwas von Gutsherrenart, wenn Ehrenamtler*innen sich anmaßen zu entscheiden, ob die deutsche Oma mehr Hilfe braucht als der junge Flüchtling.
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