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wie machen sie das?Die Eisbrecherin

Heidrun Wollnik bringt alte und junge Menschen zusammen. Als Ehrenamtliche beim Verein „Freunde alter Menschen“ organisiert die Rentnerin Kaffeekränzchen gegen Einsamkeit.

taz am wochenende: Frau Wollnik, Sie arrangieren Treffen zwischen wildfremden Menschen bei denen alle eine gute Zeit haben sollen. Wie machen Sie das?

Heidrun Wollnik: Das ergibt sich einfach. Ich organisiere diese Kaffeetrinken am Freitag schon lange. Da kommt nie Langeweile auf. Natürlich müssen die Neuen erst auftauen. Aber dann gehen die Leute richtig aus sich heraus. Das kann ziemlich hohe Pegel erreichen. Die Menschen leben auf. Sie müssen eher mal Stopp! sagen, als zu ermuntern. Falls wirklich einmal kein Gespräch aufkommt, helfen Fotos oder Artikel, die man gemeinsam diskutiert.

Welche Themen gehen gut?

Das verhält sich umgekehrt zum Alter: Die Jungen wollen über die Vergangenheit reden. Viele wissen gar nicht, was alte Menschen erlebt haben. Die Alten treibt aber um, wie die Welt heute aussieht. Die wollen lieber über Aktuelles sprechen.

Gibt es Tabus? Gespräche über den Krieg zum Beispiel?

Nein, überhaupt nicht. Über Sex haben wir jetzt noch nicht gesprochen. Aber es werden schon mal dreckige Witze erzählt. Da lachen wir dann drüber, und dann ist auch gut. Wir lachen überhaupt ziemlich viel.

Wer kommt zu Ihnen?

Alte Menschen, in der Regel zwischen 75 und 90. Die meisten von ihnen sind ­Witwen, viele waren immer nur für die Familie da. Wenn der Ehemann stirbt und die Kinder in einer anderen Stadt leben, sind sie plötzlich allein. Da gibt es nicht un­bedingt einen Freundeskreis. Die ganz Einsamen bekommen wir leider nicht. Für einige schaffen wir „Telefonpatenschaften“: ein Angebot für Menschen, die nur einmal in der Woche angerufen werden wollen, aber niemanden zu sich in die Wohnung lassen. Es ist wie in der Schule. Diejenigen, die es am nötigsten hätten, erreichen wir nicht.

Und die jungen Leute, wer sind die?

Na ja, das bin ich und …

Entschuldigung, aber sind Sie nicht auch schon 67?

Na ja, ich bin vielleicht ein Mittelding. Ich bin schon in Rente, aber ich denke wie die Jungen. Generell kommen Freiwillige aus allen Kulturen, aus aller Welt. Zum Beispiel aus Pakistan, Iran oder Ägypten. Allgemein sehe ich ein Umdenken bei jungen Leuten. Viele wollen sich mehr in der Nachbarschaft engagieren.

Haben Sie keine Angst, dass sich mal jemand per Enkeltrick bei den Senioren bereichert?

Nein, überhaupt nicht. Unsere Chefin lädt alle vor dem ersten Treffen persönlich ein, um ihnen auf den Zahn zu fühlen. Da gab es nie Verdachtsmomente.

Interview: Lina Verschwele

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