...weißer geht's nicht

■ Unter "Quotenschwarzen": Der Hamburger Journalist Ralf Koch schildert in einem Buch, wie deutsche Redaktionen noch immer Minderheiten ausgrenzen

Der Privatsender Pro7 warb für seine Sendung „Arabella Kiesbauer“ mit einem exotischen Superlativ: Die Talkshow werde von der „ersten farbigen Talkmasterin Deutschlands“ moderiert, hieß es vor dem Start. Daß die solchermaßen Beworbene es „überraschend“ fand, wie ihre Haut zu Markte getragen wurde, störte die PR-Strategen ebensowenig wie die Tatsache, daß Arabella Kiesbauer keineswegs die erste „Farbige“ war, die im deutschen Fernsehen moderierte. Vor ihr war unter anderen bereits Karin Boyd im deutschen Fernsehen aufgetreten. Die exotische Note kam aber auch den Gegnern der Talkmasterin gelegen: Sie seien doch nur die „Quotenschwarzen“, hieß es über sie und ihren Kollegen Cherno Jobatey, der das ZDF-„Morgenmagazin“ moderiert.

Der Rassismus in deutschen Medien ist subtil, wirkt aber um so effektiver, wie Ralf Koch in seinem Buch „Medien mögens's weiß“ zeigt. Die Tatsache, daß Deutschland seit Beginn der Sechziger faktisch ein Einwanderungsland ist, spiegelt sich im deutschen Mediensystem kaum wider. Angehörige von Minderheiten, die es trotzdem geschafft haben, in Deutschland und den USA in den Medien zu arbeiten, schilderten dem Journalisten Koch, wie Ausgrenzung wirkt und wie schwierig es ist, dagegen anzugehen. Der Autor hat mit Medienprofis aller Gruppierungen gesprochen: Von der jüdischen Redakteurin bis zum indianischen Chefredakteur haben sie immer wieder mit den gleichen Klischees und Hindernissen zu kämpfen. Die Offenheit, mit der sie Koch gegenübergetreten sind und über ihre Erfahrungen geredet haben, macht das Buch lesenswert.

Da ist zum Beispiel die türkisch- deutsche Journalistin Aysim Alpman, die seit dreißig Jahren beim WDR arbeitet. Nie würde sie ihren KollegInnen, „die ja auch guten Willen haben“, vorwerfen wollen, sie seien rassistisch, aber dennoch hat sie es als dreifache Benachteiligung erfahren, Ausländerin, Frau und obendrei Türkin zu sein. Lange mußte sie darum kämpfen, von der Redaktionsassistentin zur Redakteurin aufzusteigen. „Man traut den Leuten nichtdeutscher Herkunft nicht soviel zu.“ Gerne dürften sie und ihre türkischen Kollegen über sogenannte Ausländerthemen berichten, nicht aber über die Debatte um die Pflegeversicherung oder den von der Regierung geplanten Abbau der Sozialleistungen.

Aysim Alpman war die erste Journalistin türkischer Herkunft, die in den ARD-„Tagesthemen“ einen Kommentar gesprochen hat – nach dem Brandanschlag in Solingen. Damals suchten Rundfunkanstalten und Zeitungen händeringend nach türkischen JournalistInnen, die über die Stimmung in der türkischen Gemeinde berichten konnten. Der türkische Reporter Murat Gencosman machte in jenen Wochen mehrere Reportagen für die „Tagesthemen“. Wenig später waren seine Berichte und seine journalistische Kompetenz im Ersten nicht mehr gefragt – ebensowenig wie die Meinung von Aysim Alpman.

Der Moderator des ZDF-Frühstücksfernsehens, Cherno Jobatey, beantwortet solche Angriffe mit Sarkasmus: „Dadurch, daß ich auf dem Schirm bin, beweise ich vielen Leuten: Schwarze können denken, Schwarze können mit Ministern reden, Schwarze sind sogar morgens wach, und sie können sogar eine Krawatte binden.“ Der ZDF- Journalist hat sich durchgesetzt, doch er sagt: „Du hast allenfalls eine fighting chance, das heißt, du mußt dir den Arsch abarbeiten.“

Eine Erfahrung, von der auch Frauen in den Medien immer wieder berichten, denn Medien mögen's nicht nur weiß, sondern auch männlich. Und der „andere Blick“, den diejenigen, die nicht dem männlich-weißen Standard entsprechen, in den Journalismus einbringen könnten, wird selten als Bereicherung, sondern meist als Störung der ritualisierten Berichterstattung empfunden.

Auch in den USA haben sich Inhalte und Ton der Berichterstattung in vielen Zeitungen erst verändert, als die Medienunternehmen merkten, daß aus den Minderheiten von einst allmählich Mehrheiten werden. So zum Beispiel im Bundesstaat Texas, wo die Latinos inzwischen ein Viertel der Bevölkerung stellen. Dennoch werden sie in vielen US-amerikanischen Medien immer noch als „illegale Einwanderer“ bezeichnet und Schwarze als gewalttätig dargestellt.

Autor Ralf Koch scheint eine gehörige Portion Optimismus zu besitzen, wenn er darauf setzt, daß auch in Deutschland „langfristig nur die Redaktionen am Markt Erfolg haben, die Perspektiven von Minderheiten stärker als bisher berücksichtigen“. Ein Blick auf die Situation der Frauen in den Medienunternehmen hätte ihn da vielleicht eines Besseren belehren können: Nur mit Förderplänen konnten sie sich in den Rundfunkanstalten bessere Positionen erobern – um den Preis, daß sie nun als „Quotenfrauen“ abqualifiziert werden. Solange die Klientelwirtschaft in vielen Redaktionen noch immer über die Berufschancen der Bewerber und Mitarbeiter bestimmt, haben Angehörige von Minderheiten kaum eine Chance, dem medialen closed shop beizutreten. Bärbel Sonntag

Ralf Koch: „Medien mögen's weiß“ – Rassismus im Nachrichtengeschäft“. Deutscher Taschenbuch Verlag, 1996, 280 S., 28 DM