taz.berlin-Adventskalender (6): Ein goldrichtiges Argument
Da kommt mensch aus der Kälte ins Warme und wird auch noch mit Keksen beschenkt. Wo gibt's denn sowas? Na, bei der taz.
Vorweihnachtshektik, unter coronabedingten Masken noch anonymer, Begegnungen finden in Eile und mit Sicherheitsabstand statt. Und dann öffnet sich plötzlich doch manchmal eine Tür: eine freundliche Geste, eine Hilfeleistung, ein Gespräch. Die taz.berlin berichtet in ihrem Adventskalender 2021 von solchen Türchen, die die Anonymität einen Moment vergessen lassen.
Ich bin zu früh in der Friedrichstraße, es ist sehr kalt und fast noch dunkel, und außerdem fällt ein eiskalter Regen vom Himmel. Schnell krame ich die Karte aus der Tasche, die mir die Tür ins taz-Haus öffnet. Hinter mir sprintet jemand heran, eine Tasche schützend über den Kopf gehalten: Es ist Herr S., er putzt unsere Büros und ist seit Pandemieausbruch dafür auch tagsüber oft im Haus, sodass wir ihn kennenlernen konnten: „Guten Morgen!“, sagt er freundlich.
Gemeinsam betreten wir das warme und helle Haus, im Vorraum schüttelt Herr S. den Regen ab, „brrr“ macht er und lächelt mich an. Wir können uns nicht so richtig unterhalten, sein Deutsch ist nicht sehr gut, und ich spreche seine Sprache gar nicht.
Er macht ein paar Schritte auf den Aufzug zu, dann dreht er sich plötzlich wieder um, tritt auf mich zu und hält mir eine kleine Zellophantüte hin. Die Tüte ist mit einer kleinen roten Schleife verschlossen, drinnen sind goldgelbe Weihnachtskekse. „Für Sie!“, sagt Herr S.
„Danke!“, sage ich überrascht, und meine Hand greift nach der Tüte mit den Keksen, bevor ich höflich ablehnen kann. Dafür freue ich mich eigentlich auch zu sehr. „Aber warum denn?“, kann ich Herrn S. eben noch hinterherrufen. Da dreht er sich noch einmal um, strahlt mich an und hält noch eine weitere Plätzchentüte hoch: „Ich hab zwei!“, sagt er.
Ich bin sprachlos und augenblicklich auch widerspruchslos. Was für eine einfache und einleuchtende Begründung! Die muss ich mir unbedingt merken, denke ich, und ich sage noch einmal danke. „Ich habe zwei!“ Die Kekse teile ich mir später mit den Kolleg*innen.
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