taz appeliert an CDU und SPD: Zeigt euch auf zwei Rädern!
Nicht nur Radwege sollen in Berlin auf den Prüfstand. Auch die Mittel könnten halbiert werden. Da hilft nur noch eine politische Selbstbezichtigung.
D ass Franziska Giffey (SPD, CDU-affin) lieber mit Oldtimern posiert, als sich auf ein Fahrrad zu setzen, ist nichts Neues. Aber wo sind die Fahrradfotos von Manja Schreiner, der Verkehrssenatorin (CDU, Bau-affin)? Hat jemand schon mal Stefan Evers, den Finanzsenator (CDU, mal Grün-affin), auf einem Fahrrad gesehen?
Letzterer hat in seinem Entwurf für den Doppelhaushalt 2024 und 2025 Kürzungen beim Bau und der Instandsetzung von Radwegen von 40 bis 60 Prozent vorgeschlagen. So berichtet es der RBB. In der Verkehrsverwaltung hätten Experten Alarm geschlagen, heißt es. Natürlich anonym. Man weiß ja nie, ob Schreiner nicht nur Radwege stoppen will, sondern auch Laufbahnen.
Von der Verkehrssenatorin gibt es bislang keine Stellungnahme dazu. Auch nicht vom Finanzsenator. Sollte der Bericht allerdings stimmen, wäre das „Moratorium“, wie Manja Schreiner ihren vorläufigen Planungsstopp für Radwege nennt, nur ein Präludium gewesen. Denn wenn kein Geld da ist, kann auch ein Radweg, den die Autosenatorin großzügig durchwinkt, nicht gebaut werden.
Klingt nach großer Orchestrierung einer Koalition, die, so nannte es Franziska Giffey zum Start, eine „sozialdemokratische Handschrift“ trägt. In Wirklichkeit meinte sie wohl eine Koalition, die ihre, Giffeys, Handschrift trägt.
„Wir sind Rad gefahren“
Was tun, haben schon andere in ähnlichen Situationen geseufzt. Vielleicht wäre eine Selbstbezichtigung der nötige Wachrüttler. Nicht „Wir haben abgetrieben“, wie damals im Stern, sondern „Wir sind Rad gefahren“.
Natürlich ist das nicht ohne Risiko. Christdemokraten, die sich auf einem Fahrrad ablichten lassen, leben womöglich gefährlich. Nicht nur, weil es bald keine neuen Radwege mehr gibt, sondern auch, weil ihr Bekenntnis das Zeug hat, als Verrat durchzugehen. Mindestens aber als unpassende Kritik am Auto.
Nicht anders ist es bei radelnden Sozen. Erfüllt das bei einer Parteivorsitzenden, die sich auf allen vieren bewegt, nicht den Tatbestand der Majestätinnenbeleidigung?
So kreuzen sich gerade zwei sehr gegensätzliche Trends in Berlin. Während die Drahteselbranche Zuwächse in nie gekannte Höhen vermeldet, sattelt die Politik um aufs Heilix-Blechle.
Oder doch nicht? Schickt uns also Fotos mit euch auf dem Fahrrad, liebe Freundinnen und Freunde aus der CDU und SPD. Zeigt, dass ihr könnt, was schon Dreijährige können. Zeigt, dass ihr nicht vier Räder braucht, um euer Gleichgewicht zu halten.
Aber macht schnell. Schon in der nächsten Woche soll der Haushaltsentwurf in den Senat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Auflösung der Ampel-Regierung
Holpriger Versuch endgültig gescheitert
+++ Ampelkoalition zerbricht +++
Lindner findet sich spitze
Ampelkoalition zerbricht
Scholz will Vertrauensfrage stellen
Scheitern der Ampelkoalition
Ampel aus die Maus
Auflösung der Ampel-Regierung
Drängel-Merz
Antisemitismus-Resolution im Bundestag
Kritik an Antisemitismus-Resolution