taz-adventskalender „24 stunden“ (13): 13 Uhr im Sea Life
Das Berliner Sea Life schließt am Freitag, den 13., seine Pforten. Besonders viel Freude wohnte dem Riesenaquarium ohnehin nicht mehr inne.
Stressig und chillig, hässlich und schön, herzerwärmend und abstoßend: Berlin hat viele Seiten, rund um die Uhr. In diesem Advent hangeln wir uns durch 24 Stunden Hauptstadtleben und verstecken jeden Tag aufs Neue 60 Minuten Berlin hinter unserem taz-berlin-Kalendertürchen. Heute: ab 13 Uhr im Sea Life.
Das Sea Life ist zu jeder Tageszeit eine recht blaue Erfahrung: Das Licht, die Wände, die Möbel, die Arbeitskleidung der Angestellten und das Wasser in den Aquarien – alles ist hier in blaue Farbe getaucht. Im Hintergrund tönt fahrstuhlartiges Gedudel, das wohl an Piraten- oder Unterwasserabenteuer erinnern soll, in einigen Becken plätschert das Wasser, die Fische ziehen monoton ihre Bahnen von links nach rechts und wieder zurück.
Ansonsten ist es in der etwas in die Jahre gekommenen Unterwasserwelt nahe des Alexanderplatzes geradezu ausgestorben um 13 Uhr. In der Ferne schreit ein Baby verzweifelt seine Eltern an – ob es das Sea Life auch so trostlos findet? Eltern mit Kindern sind mit Senior:innen und einigen hartgesottenen Dauerkartenbesitzer:innen an diesem Mittag die einzigen Menschen im Sea Life.
Die ausbleibenden Besucher:innen dürften für den Betreiber, die Merlin Entertainments Gruppe, auch den Ausschlag gegeben haben, das Sea Life zu schließen. Ausgerechnet am Freitag, den 13. wird das in der Vergangenheit von Pech – und schlechtem Handwerk – heimgesuchte Aquarium zum letzten Mal seine Pforten öffnen.
Vor gut zwei Jahren war das zylindrische Riesenaquarium namens Aquadom, das zum Sea Life gehört und direkt daneben liegt, plötzlich geplatzt und hatte mehr als 1.000 tote Fische in seiner Umgebung zurückgelassen. Nach diesem „Verlust“ hätten sie das „gewünschte Zielpublikum nicht mehr ausreichend ansprechen können“, meldete die Entertainment-Gruppe. Die Tiere würden in andere Einrichtungen umziehen.
Zacki, der Zackenbarsch
Zeit für Abschiedsschmerz und Wehmut also? Der Mitarbeiter an der Kasse, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will, zuckt mit den Schultern und wirkt nicht so, als würde er seinen Arbeitsplatz großartig vermissen. Trotzdem erzählt er einigermaßen begeistert von seinem Lieblingsfisch, dem brauen Zackenbarsch, Zacki genannt.
Zacki sei 2018 aus Spanien ins Sea Life gekommen, erzählt er. Obwohl zu Beginn nicht größer als ein Finger, sei Zacki überraschend schnell überraschend groß und überraschend aggressiv geworden. „Ein richtiger Top-Predator“, sagt der Mitarbeiter. Bei einem Besuch im Berliner Sea Life gefiel es Zackis ehemaligem Besitzer anscheinend so gut, dass er seinen Fisch kurzerhand an das Aquarium abgab.
Wer zu Zackis neuem Zuhause gelangen will, muss erst eine ganze Weile die verwinkelten Gänge des Sea Life durchqueren. Auf dem Weg begegnen einem allerhand thematisch eingerichtete Aquarien: die Nordsee, das Atlantikbecken, der Hamburger Hafen. Bunt angestrahlte Quallen fluoreszieren im Wasser, eine Mittelmeermuräne drückt ihr Gesicht an ein Bullauge, als würde sie gern ihrem Schicksal entkommen.
Bei Zacki angekommen, liegt dieser apathisch in der linken Ecke des Beckens; neben ihm eine zerbrochene Vase, aus der Seegras wächst. Seine Mitbewohner, ein ganzer Schwarm schwarz-weiß gestreifter Nagasaki-Fische, schwirren in seiner Umgebung herum. Zackis Maul ist etwas geöffnet, nur die leichte Bewegung seiner Hinterflosse verrät, dass er noch lebt. Nicht einmal das Kindergeschrei lässt ihn sich regen. Vielleicht wäre es ihm in seinem alten Aquarium doch besser ergangen?
Rochen und dicklippige Meeräschen
Der Besuch im Sea Life beinhaltet wenigstens eine kleine Attraktion: Fütterung am Rochenbecken um 13.30 Uhr. Die flachen Meerestiere bekommen mit einer Zange Tintenfisch angereicht, während dicklippige Meeräschen dazwischenfunken. Alle paar Minuten rauscht ein kleiner Wasserstrahl durch das Becken. Das soll die Tiere an Wellenrauschen erinnern.
Ein Kind lehnt an der Glasscheibe und gähnt, als wäre zu vielen Tieren in zu kleinen Gehegen beim Existieren zuzuschauen wirklich gar nicht mal so spannend.
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