taz-Serie Datenschutz in der EU: Widersprechen, löschen, umziehen
Ab dem 25. Mai haben alle 500 Millionen Europäer*innen mehr Online-Rechte. Das steht drin im neuen EU-Datenschutzgesetz.
Die Daten von rund 500 Millionen Europäer*innen stehen ab 25. Mai 2018 unter besonderem Schutz. Dann gilt die EU-Datenschutzgrundverordnung – kurz DSGVO. Sie gilt als Meilenstein und Zeitenwende im europäischen Datenschutzrecht. Während Verbraucherschützer*innen jubeln, ärgern sich Blogger*innen, Vereinsleute oder Kleinunternehmer*innen über das bürokratische Ungetüm. Die taz beleuchtet in einer Serie die verschiedenen Aspekte der DSGVO.
Wer in diesen Tagen sein Konto bei Facebook öffnet, wird zunächst gestoppt. Ein Kasten erscheint, der über Neuerungen informiert. Beispielsweise können die Nutzer*innen nun Werbung blockieren, die ihnen bisher automatisch zugeschickt wurde. Hier machen sich die neuen EU-Regeln zum Datenschutz bemerkbar, die ab 25. Mai für alle 500 Millionen Europäer*innen gelten. Für die Verbraucher*innen stellen sie eine deutliche Verbesserung dar – wenn man sie tatsächlich anwendet. Sie gelten auch für US-Konzerne, wenn sie in der EU tätig sind.
Mehr Kontrolle über die Daten
Datenverarbeiter wie Facebook müssen ihren Nutzer*innen künftig die Möglichkeit einräumen, den Abfluss der eigenen Daten durch Weiterverkauf an andere Firmen zu verringern. Informationen zum Datenschutz etwa bei Facebook finden sich in den persönlichen Nutzer-„Einstellungen“ unter anderem bei den Menü-Punkten „Apps“ und „Werbeanzeigen“. Beim Eintrag „Datenschutz“ erläutert Facebook außerdem Änderungen durch die Datenschutzgrundverordnung.
Weg mit der Werbung
Mit wenigen Klicks können Nutzer*innen künftig Werbung aus ihrem Account verbannen. Ohne Begründung kann Widerspruch gegen die Verwendung von Daten für Direktmarketing eingelegt werden. Dazu gehören Anzeigen, die Nutzern individuell zugesandt werden, nachdem Facebook oder andere Firmen die jeweilige Kommunikation ausgewertet haben. Dadurch wissen Firmen beispielsweise, wer gerne in welche Länder reist oder sich für E-Gitarren interessiert. Solche Werbung lässt sich mittlerweile blockieren, indem man zum Beispiel bei Facebook die persönlichen „Einstellungen für Werbeanzeigen“ ändert.
Recht auf Datenauskunft
Betroffen sind alle Unternehmen, die Nutzerdaten verarbeiten – sie müssen ihren Kund*innen künftig auf Verlangen Auskunft über eventuell gespeicherte persönliche Daten geben und unter bestimmten Voraussetzungen die Einwilligung zur Weiterverwertung einholen.
Recht auf Vergessen
Wem gehört mein Bild?
Bürger*innen haben künftig bessere Chancen, Informationen über sich, die sie für schädlich halten, aus dem Internet zu tilgen. Bisher ist es kompliziert, langwierig und manchmal unmöglich, unvorteilhafte Partyfotos, Informationen über Jahrzehnte zurückliegende Rechtsstreits oder gar Lügen zu löschen. Mit dem Recht auf Vergessen müssen beispielsweise Suchmaschinen wie Google Fotos aus den eigenen Suchergebnissen entfernen.
Recht auf Datenumzug
Wer beispielsweise Whatsapp verlassen will, kann bei der Facebook-Tochter nun die Herausgabe der kompletten Kommunikation und Kontaktliste verlangen. Das gibt Kunden die Möglichkeit, zu anderen Messenger-Diensten umzuziehen. Dieses Verfahren ähnelt dem aus Branchen wie der Telekommunikation und der Stromversorgung.
Neue Altersbegrenzung
Messengerdienste oder Online-Plattformen dürfen künftig erst ab 16 Jahren genutzt werden. Jüngere Nutzer*innen brauchen die ausdrückliche Zustimmung der Eltern. Bei Whatsapp galt bisher ein Mindestalter von 13 Jahren. Ein Nachweis etwa per Ausweiskopie wird jedoch nicht verlangt. Die entsprechende Option zum Altersnachweis muss lediglich angeklickt werden.
Regeln bei Pannen und Verstößen
72 Stunden haben Firmen Zeit, Datenschutz-Lecks an eine Aufsichtsbehörde zu melden und die Betroffenen zu informieren. Bemerken Nutzer*innen einen Verstoß, können sie sich an ihre lokalen Datenschutzbehörden wenden. Wird ein Regelbruch nachgewiesen, müssen Firmen bis zu vier Prozent ihres weltweiten Jahresumsatzes an Strafen zahlen.
Datenschutzfreundliche Voreinstellungen
Datenschutz soll künftig schon beim Planen („privacy by design“) von Geräten oder Software und durch datenschutzfreundliche Standardeinstellungen („privacy by default“) berücksichtigt werden.
***
Teil 1 unserer Datenschutz-Serie: Interview mit der Bundesdatenschutzbeauftragten Andrea Voßhoff
Teil 2 unserer Datenschutz-Serie: Was steht drin im DSGVO?
Teil 3 unserer Datenschutz-Serie: Auch kleine Firmen beklagen die Rechtsunsicherheit des neuen Gesetzes
Teil 4 unserer Datenschutz-Serie: Interview mit dem Verbraucherschützer Christian Gollner
Teil 5 unserer Datenschutz-Serie: Porträt des grünen Vordenkers der neuen Datenschutzgesetze Jan Philipp Albrecht
Teil 6 unserer Datenschutz-Serie: Das Recht auf Vergessenwerden
Teil 7 unserer Datenschutz-Serie: Ein Vereinsvorsitzender und eine Bloggerin sprechen über Nachteile des EU-Datenschutzgesetzes
Teil 8 unserer Datenschutz-Serie: Kommentar zur digitalen Zeitenwende
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Aufregung um Star des FC Liverpool
Ene, mene, Ökumene