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Media-Markt-Chef wird DigitalministerMerz’ Mann gegen das Faxgerät

Kommentar von Svenja Bergt

Endlich ein Digitalministerium. Bleibt nur zu hoffen, dass Karsten Wildberger unter Digitalisierung mehr versteht, als nur Kabel zu verlegen.

Der neue Digitalminister: Karsten Wildberger Foto: Oliver Rösler/dpa/Montage:taz

W as ist das eigentlich – Digitalisierung? Gar nicht so einfach zu beantworten. Formulare, die man zwar am Computer ausfüllen kann, aber dann doch ausdrucken und einwerfen muss? Dazu eine Prise Blockchain und künstliche Intelligenz?

Die vergangenen Bundesregierungen jedenfalls haben Digitalisierung in weiten Bereichen als Infrastrukturprojekt gesehen: Hier ein paar Kabel verlegen, dort eine Handvoll Mobilfunkmasten aufstellen, immer schön die Geschwindigkeiten messen und vergleichen und zwischendrin noch ein Flugtaxi taufen. Letzteres hat zwar mit Digitalisierung nix zu tun, wirkt aber so schön innovativ und ­modern. Und außerdem war das Thema ja bisher ans Verkehrs- beziehungsweise Infrastrukturressort angedockt.

Die schwarz-rote Koalition macht es ein wenig anders: Es gibt ein eigenes Digitalministerium, na ja, zumindest weitgehend. Und, wie am Montag verkündet wurde, dazu einen Minister, einen mit intensivem Wirtschaftshintergrund: Eon, T-Mobile, Boston Consulting, Mediamarkt-Saturn – bei Letzterem zeichnet sich Karsten Wildberger zuständig für einen umfangreichen Unternehmensumbau, auch hin zu mehr Digitalisierung.

Wohl eher kein DOGE-Ministerium

Unwahrscheinlich zwar, dass es in Deutschland zu Doge-Verhältnissen kommt, so wie Elon Musk mit seinem Beraterposten für die US-Regierung die dortigen öffentlichen Institutionen in Stücke zerhaut. Aber trotzdem: Jemanden mit so klarer Wirtschaftsperspektive in das Ministerium zu holen, ist nicht nur eine inhaltliche Entscheidung, sondern auch ein Statement.

Dazu kommt: Wie immer im Digitalen ist auch bei diesem Ministerium nicht unbedingt das entscheidend, was groß tituliert wird – sondern das Kleingedruckte. Bei Ministerien sind das die weiteren Themengebiete, für die sie zuständig sind. Als das Digitale mit Verkehr/Infrastruktur zusammengefasst wurde, sind Kabel und Flugtaxis bei rausgekommen. Setzt man diese Logik fort, wäre Digitales bei Verbraucherschutz mal eine Idee. Dann würde die Digitalisierung vielleicht endlich mal von denen her gedacht werden, die sie am Ende ausbaden müssen: den Nutzer:innen.

Doch nun hat der Minister die „Staatsmodernisierung“ dazubekommen. Und das klingt dann doch leider, als sollte KI auf Faxgeräte geworfen werden. Wobei – die darf es gar nicht mehr geben, das hatte SPD-Chef Lars Klingbeil bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags schon betont. Als ob das Faxgerät schuld daran wäre, dass es um die Digitalisierung in Deutschland so steht, wie es steht.

Digitalisierung mit der Brechstange?

Jedenfalls wird voraussichtlich Folgendes passieren: Digitale Abläufe werden über bislang analoge oder halbdigitale gestülpt werden.

Im besten Fall wird das immerhin durchgedacht. Dann gibt es vorher eine Bestandsaufnahme, die Betroffenen und Ex­per­t:in­nen werden mit einbezogen. Und hinterher gibt es eine Software, die open source ist, und einen Workflow, der wirklich Arbeit spart und so Ressourcen freiräumt, die Beschäftigte dann für anderes nutzen können. Verwaltungshandeln wird in diesem positiven Szenario transparent, die Dienste sind barrierefrei zugänglich und die Bür­ge­r:in­nen freuen sich, wenn sie nicht mehr drei Monate auf einen Termin mit der Behörde warten müssen für einen zwei Minuten dauernden Verwaltungsakt.

Im schlechteren Fall passiert das, was sich aktuell abzeichnet: Digitalisierung mit der Brechstange. Digitalisierung ist dann Mittel zum Zweck von Kürzungen, weil Abläufe angeblich viel effizienter geworden sind. In so einem Fall geht zwar mehr online, aber hinter den Kulissen nichts schneller oder einfacher, und wer mit Smartphone, Laptop und den Onlinefunktionen des Personalausweises nicht so firm ist, hat ohnehin das Nachsehen.

Viel digitales Holz

Dabei gibt es im Digitalbereich haufenweise zu tun. Eine Auswahl der Probleme: die Übermacht der US-Tech-Konzerne und deren desaströse Auswirkungen auf Demokratie, Zusammenleben und Privatsphäre. Die Umsetzung von EU-Gesetzgebungen wie der zu künstlicher Intelligenz, dem AI Act. Die zunehmende staatliche Überwachung von Bür­ge­r:in­nen bei gleichzeitigem Ignorieren von Transparenz, was den Einblick in staatliches Handeln angeht. Die Abhängigkeit Deutschlands von US-Software-Anbietern auch und gerade bei staatlichen Stellen. Die verbesserungswürdige Klimabilanz von digitalen Produkten und Dienstleistungen.

Es gibt also genug Probleme, und die Messlatte liegt, Grüße an die Vorgänger, nicht gerade hoch. Wenn der Neue es schafft, auf Verbraucherschutz zu achten, die kluge Zivilgesellschaft beteiligt, das Gemeinwohl nicht aus den Augen verliert und Flugtaxis ignoriert – dann könnte das schon ein Gewinn sein.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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