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sonntaz-Streit zu BildungsprotestUnis schlechtreden ist dumm

Zehntausende Studenten gehen in der kommenden Woche gegen das Hochschulsystem auf die Straße. Sie sollen ihre eigene Bildung nicht so schlechtreden, findet die Chefin der Rektorenkonferenz.

"Die Universitäten als Verdummungsanstalt zu diffamieren, ist schädlich - und dumm", sagt Margret Wintermantel, Chefin der Rektorenkonferenz. Bild: dpa

BERLIN taz | Kurz vor Beginn des bundesweiten Bildungsstreiks hat Margret Wintermantel, Chefin der Hochschulrektorenkonferenz, Uni-Kritikern Rufschädigung vorgeworfen. "Es ist schwer nachzuvollziehen, wie manche Studierende und Professoren derzeit die eigene Hochschulbildung schlechtreden", sagte sie der taz-Wochenendausgabe sonntaz. "Die Universitäten als Verdummungsanstalt zu diffamieren, ist schädlich - und dumm."

Bild: taz

Den ganzen Streit der Woche lesen Sie in der sonntaz am 13./14. Juni 2009 - ab Samstag zusammen mit der taz am Kiosk.

Am Montag beginnt in mehr als 80 deutschen Städten ein fünftägiger Protest an Schulen und Hochschulen für Veränderungen im Bildungssystem.

Die Studenten fordern unter anderem die Abschaffung von Bachelor- und Master-Studiengängen in ihrer derzeitigen Form.

Kritik an den neuen Abschlüssen kam im Vorfeld auch aus der Wirtschaft. Burkhard Schwenker, Chef der Unternehmensberatung Roland Berger, nannte die Studiengänge in der sonntaz "eindimensional". "Gerade in unserer immer komplexeren Welt müssten die Hochschulen Studenten zum flexibleren Denken befähigen", sagte er.

Wolf Wagner, Soziologieprofessor an der Fachhochschule Erfurt und Autor des Bestsellers "Uni-Angst und Uni-Bluff", sieht dagegen nicht die Bologna-Reform als das Problem an, sondern die Einstellung seiner Professorenkollegen. "Viel zu viele Lehrende geben Bologna die Schuld an einer Verschulung, die sie selbst erzeugen", schreibt er in der sonntaz. "Sie setzen weiterhin auf frontale Wissensvermittlung und Abfragen per Klausur, um sich Zeit für ihre Forschung freizuhalten."

Der Bildungsstreik in der kommenden Woche wird von Attac sowie der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaften und Ver.di unterstützt. In über 60 Städten haben Schüler und Studenten für Mittwoch Demonstrationen angemeldet. Die Organisatoren rechnen mit mindestens 150.000 Teilnehmern. Im "Streit der Woche" schreiben neben Wintermatel, Schwenker und Wagner die brandenburgische Wissenschaftsministerin Johanna Wanka, die chinesische Studentin Ma Rui, die Frankfurter Japanologiestudentin Alexandra Iwanowa, der Soziologiestudent Robert Jende aus Jena sowie der Theologe Marius Reiser, der aus Protest gegen die Bologna-Reform seine Professur niedergelegt hat.

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13 Kommentare

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  • P
    Philipp

    BA-Abschlüsse sind irrelevant, Ma-Abschlüse max. mit den bislang hochwertigen und geachteten Diplom- und Magister-Abschlüssen vergleichbar. Allerdings klingen auch hier Sem.abschlußklausuren, Masterarbeit und mündliche Prüfung nach Modulhaftigkeit und nicht den niveauvolleren Diplom-Prüfungen, bei denen man das Wissen zumindest des Hauptstudiums präsent haben musste und auch gut konnte, was dem Intellekt und vernetzten Denken und Argumentieren weit zuträglicher ist. In keinem Fall ist ein Master jedoch mit einem Staatsexamen vergleichbar.

     

    Bologna ist insgesamt ein Irrweg bildungspolitischer Marionetten - Oberflächliche, moralferne, unkritische und modularisierte Pragmatiker sind nicht nur ökonomisch für den Standort schädlich sondern vor allem auch für die Gesamtgesellschaft.

  • J
    Johanna

    Uni wird keineswegs schlecht geredet. Wenige mutige Wissenschaftler äußern sich nur kritisch und bewerten die schlimme Situation max. realistisch.

     

    Das einzige, was dumm ist, ist die aktuelle Bildungspolitik und die Universität verschult und dumm auszugestalten, wie nach Bologna und den Modularisierungen. Darüber sollte die Dame besser nachdenken.

  • BD
    Bald dank Bologna "strukturiert" Promovierende

    Seltsam, dass das undifferenzierte Zitat der Chefin der Rektorenkonferenz (da die Rektoren durch Bologna mehr Entscheidungsbefugnis bekommen, sind sie natürlich als Befürworter prädestiniert) hier unreflektiert als Aufhänger dient und desweiteren im Namen eines durch ein Buch wohl ein für alle mal ausreichend qualifizierte Autor dazu beiträgt, den wie die studierenden wehrlosen Profs die Schuld in die Schuhe zu schieben, ohne dass die Gegenseite in ihrer Argumentationsweise nachvollzogen wird. Natürlich ist die Verschulung Folge des Bologna-Prozesses und der generellen Ökonomisierung von Bildung - diese muss quantifizierbar sein, und das geht am effizientesten durch abfragbares Faktenwissen. Dies ist nur ein möglicher Ansatzpunkt von Kritik am Bologna-Prozess, der im ganzen Professoren, sonstige Dozenten, den Mittelbau und die Studierenden entmündigt und um die Bildung betrügt. Die taz enttäuscht immer wieder, wenn sie vor radikaler Kritik nicht nur zurückschreckt, sondern sich gar noch eher bei der Gegenseite positioniert und ausgerechnet Leute aus der Wirtschaft, die eindimensional Eindimensionalität kritisieren - damit haben sie zwar recht, aber das Ausmaß des universitären GAUs - eigentlich nicht zuletzt Anbiederung an die Wirtschaft - ist damit nicht erfasst.

  • C
    cooljazz

    Studiengebühren dürfen nicht zur Sanierung von Gebäuden genutzt werden!

  • B
    BildungFürAlle

    Traurig, liebe taz, dass ihr dieses Thema - auf der ersten Seite so fulminant aufgemacht - zusammengeschrumpft habt auf eine verzerrte "Machen Unis dumm?" Diskussion.

     

    Damit habt ihr weder den Kern des Bildungsstreik beleuchtet, noch euch kritisch damit auseinander gesetzt. Vielmehr spiegelt eure verkürzte Berichterstattung die Perspektive derjenigen wieder, die sich ohnehin schon vehement gegen den Streik aussprechen.

     

    Von einer "linken" Tageszeitung hätte ich mir das Gegenteil erwartet.

     

    Schade.

  • J
    jackabum

    Nach einer OECD Studie ist das deutsche Bildungssystem mittelmaß

  • T
    Torben

    "Die Universitäten als Verdummungsanstalt zu diffamieren, ist schädlich - und dumm", sagt Margret Wintermantel, Chefin der Rektorenkonferenz.

     

    Guter Einstieg ins Thema, warum kommt dann nichts mehr? Die Dame hat ihre Haltung doch sicher begründet, wenn nicht hätte man es als hohle Phrase nicht wiedergeben sollen.

  • CS
    Calgary Shilton

    Ah, ein sanfter Maulkorb also: die Uni und das Bildungswesen doch bitte nicht schlechtreden. Diesen Bockmist, der "Reform" genannt (verhöhnt) wird, kann man gar nicht schlecht genug reden. Man müsste neue Schimpfwörter erfinden. Schreibtischtäter, die als Mitglieder einer Hochschulrektorenkonferenz ihren Ar**h am Ledersessel reiben, können die Realität einfach nicht beurteilen, die sie verschulden. Und die Polit-Stümper, die noch eine Etage höher vergammeln, erst recht nicht. Eine Revolution muss her!

  • S
    Schulz

    Die Studenten muessten in die Lage versetzt werden, entweder vor dem Beginn des Studiums oder bis zum Ende des 1.Studienjahres ihren spaeteren Arbeitgeber kennenzulernen und dementsprechend zielorientiert studieren koennen.

    Alles andere hat definitiv keinen absolut keinen Sinn.

  • NJ
    navajo joe

    Naja, mindestens 1/3 der Professoren und Privatdozenten, v. a. in Fächern wie Politikwissenschaft und Philosophie, könnte man ohne Schaden für die Wissenschaft oder die Allgemeinheit sofort entlassen. Abgesehen von ihren didaktisch mangelhaften Fähigkeiten sind auch ihre Argumentationen v. a. rhetorisch hochtrabende Luftblasen, die einem etablierte Mainstream entsprechen. (Nicht zuletzt von diesen Dozierenden haben nämlich auch viele Studierende ihre schlechten Argumentationsmuster, die leider ebenfalls oft schlecht durchdachte Phrasen sind).

  • L
    Linkshänder

    Als Chefin der Rektorenkonferenz, sollte sie unterscheiden können zwischen schlechreden und Kritik. Kritik die sachlich durch Studien belegt werden. Kritik als negativ zu werten und Verbesserungsvorschläge zu ignorieren, liebe Rektorin ist d u m m !!!! Ich zolle den Studenten/innen meinen Respekt. Sich solidarisch zusammenschließen, um eine Diskussion anzuregen über Verbesserungen des Hochschulsystems, halte ich für Empfehlenswert. Feiert nicht nur unser Grundgesetz, sondern lebt es auch vor.

  • JI
    J. ist linker Buchstabe

    Wieso tauscht man eigentlich ein gutes System (Dipl. , Magister) gegen ein schoechteres (Bachelor, Master aus? Die Studenten lernen nichts und haben dazu weniger Zeit als zuvor. Das wirft beinahe Erinnerungen an die Umstellung von G9 auf G8 in den westl. Bundesländern auf.

  • R
    roflcopter

    Wo sind denn unsere Studiengebühren, wenn nicht, in irgendwelche Eliten-Unis???

    Bei uns im Hörsaal tropft es immer noch von der Decke!!!