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schwule rehabilitiertEine Geste, die überfällig war

Dass der Bundestag einstimmig nicht nur die nationalsozialistische Verfolgung homosexueller Männer beklagte und bedauerte, wäre noch kein Grund, von einer denkwürdigen Debatte zu sprechen. Auch nicht, dass vorgestern alle Fraktionen die Bundesregierung aufforderten, das NS-Aufhebungsgesetz so zu ergänzen, dass es künftig auch Opfer des Paragraphen 175 integriert. Und auch im Hinblick auf die Interpretation des Naziterrors war die Geste nicht besonders bemerkenswert. Denn es wäre ein nichts anderes als ein Skandal gewesen, wenn sich etwa die Union 55 Jahre nach dem Dritten Reich einer klaren Haltung im Sinne der Opfer versagt hätte.

Kommentarvon JAN FEDDERSEN

Ehrenhaft war vielmehr, dass das Plenum – samt Christdemokraten und ohne Gegenstimme – auch die Verfolgung Homosexueller zwischen 1949 und 1969 missbilligte und diese Repression für eines demokratischen Staates unwürdig erklärte. Der Sprecher der Union erkannte gar, dass die bundesdeutsche Rechtsprechung der damaligen Zeit kein „Ruhmesblatt“ gewesen sei, weil die moralischen Unwerturteile gegen Homosexuelle fast wortgleich mit dem Vokabular der Nationalsozialisten formuliert worden waren.

Diese wenn auch in manchen Passagen dezente Form der Selbstkritik der mächtigsten politischen Formation der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte verdient gelegentlich in Erinnerung gerufen zu werden. Nicht nur deshalb, weil ohne die Menschen, die der Union nahe stehen, eine Entspannung des gesellschaftlichen Klimas Homosexuellen gegenüber nicht denkbar ist. Wichtiger ist, dass das Einverständnis der Union mit der Bundestagsentschließung dazu beitragen kann, Homophobie und ihre Folgen zu ächten.

Künftig werden alle demokratischen Politiker – bis hin zur CSU – daran zu messen sein, ob sie es ernst meinem mit dem Ende der Diskriminierung von Menschen mit gleichgeschlechtlicher Orientierung. Das gilt auch für die Frage der Eingetragenen Partnerschaften. Solange Unionspolitiker durch kleine und große Tricks dieses Reformwerk zu sabotieren trachten, bleibt die Zustimmung ihrer Partei zu Ehrenerklärung für Schwule und Lesben halbherzig. Denn hinter der Aversion gegen die Homoehe verbirgt sich nichts als ein Vorbehalt gegen Homosexuelle im Grundsatz. Wer Liebenden – gleich welcher sexueller Orientierung – keine Rechte geben will, soll vom Bedauern über geschehenes Unrecht schweigen. Alles andere ist inkonsequent.

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