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rbb-„Abendshow“-Moderator über Humor„Lachen bedeutet Freiheit“

Ingmar Stadelmann spricht über seine Pläne für die rbb-„Abendshow“. Und darüber, wie politisch-korrekter Witz funktioniert.

„Kontext ist King“, sagt Komiker Ingmar Stadelmann Foto: Christoph Hardt/imago
Erica Zingher
Interview von Erica Zingher

taz: Herr Stadelmann, die rbb-„Abendshow“ war bislang nicht so witzig. Mit Ihnen als Neubesetzung will man die Sendung Richtung Humor und Satire pushen. Was wird besser mit Ihnen?

Ingmar Stadelmann: Ob es besser wird, vermag ich nicht zu sagen, das ist ja Geschmackssache. Es wird aber definitiv anders, da ich als Comedian Live-Erfahrung mitbringe und eben ein Bühnenmensch bin. Als Stand-up-Comedian jage ich den Gag und suche die Pointe in den Situationen, die sich in der Show ergeben. Das unterscheidet mich dann schon von meinen Vorgängern.

Am Donnerstag läuft die erste Folge. Was erwartet die Zuschauer*innen?

Im Interview: Ingmar Stadelmann

Ingmar Stadelmann Jahrgang 1980, ist Stand-up-Comedian und Radiomoderator. Ab dem 24. Oktober übernimmt er die Moderation der rbb-„Abendshow“ von Marco Seiffert und Britta Steffen­hagen. In der Vergangenheit war Stadelmann öfter als Gast in der Sendung. Stadelmann erhielt 2014 den Deutschen Comedypreis als „Bester Newcomer“.

Ich habe mir bei den Proben gedacht: Du stehst hier vor einer DDR-Deko-Mauer, wirst angestrahlt vom Suchscheinwerfer und Kameras zeichnen alles auf – dann lasst uns doch gleich 70 Jahre DDR feiern. Ich werde eine Band haben und ein Sidekick wird mich in der Sendung humoristisch unterstützen. Und dann haben wir noch den Finanzsenator zu Gast.

Sie haben im Vorfeld der Sendung schon betont, dass es wichtig sei, über alles Witze zu machen, über alles zu sprechen, über alles lachen zu können. Wieso?

Weil Lachen Freiheit bedeutet. Wenn wir nicht mehr lachen können, dann sind wir nicht mehr frei. Oder wenn vorgegeben wird, über was du zu lachen hast und über was nicht. Beleidigen gehört übrigens auch dazu. In einem Land, in dem man sich nicht gegenseitig beleidigen kann, ist man auch nicht frei.

Hat die Freiheit Grenzen?

Klar. Es gibt ein Grundgesetz, an das muss ich mich genauso halten wie jeder Dachdecker oder Grundschullehrer auch. Ich denke, am Ende ist wichtig, dass die Leute verstehen, aus welcher Richtung verbal geschossen wird und warum. Ich glaube, die Irritationen und die Probleme mit Humor entstehen immer dann, wenn das nicht klar ist. Wenn Leute also den Eindruck bekommen, das es sich eher um eine Form von Menschenhass handelt.

Politisch korrekte Comedy, passt das zusammen?

Das passt schon zusammen. Bei einer Show von mir in Baden-Baden saßen mal Menschen aus einem Hospiz im Publikum. Hinterher kam einer zu mir und sagte, es war so befreiend für ihn, so lachen zu können. Für ihn war es das jetzt, aber es war noch mal toll. Daraus ist später eine Nummer in meinem Solo-Programm geworden, die ich auf der Bühne erzähle. Von den Gags her ist der Stand-up natürlich nicht politisch korrekt. Aber die Botschaft dahinter ist, wie gut es tun kann, in den schlimmsten und dramatischsten Momenten eine befreiende Form des Lachens zu finden. Als Druckabbau und auch um die Situation für sich zu bewältigen. Das muss dann auch nicht immer in der Formulierung oder in der Ansprache politisch korrekt sein.

Dieses Erlebnis kann ja nun kein Freifahrtschein sein, um künftig nur noch politisch inkorrekte Witze zu machen.

Ich brauch auch keinen „Freifahrtschein“. Wer sollte den ausstellen? Politisch inkorrekte Witze sind ja nicht verboten. Wie gesagt, außerhalb der persönlichen Scherzgrenze ist nicht außerhalb des Grundgesetzes. Und jeder Mensch legt ja seinen eigenen Geschmackskosmos fest. Ich habe auch nicht dagesessen und mir gedacht, du brauchst jetzt eine Nummer, in der es um Hospize geht, weil das so schön politisch inkorrekt ist. So funktioniert Comedy nicht. Sie macht dann Sinn, wenn es aus einer erlebten Situation kommt, die das inspiriert hat. Kontext ist King.

Der Kabarettist Dieter Nuhr kreidet in dem Zusammenhang öfter mal „Diskussionsverbote“ an, ähnlich argumentieren gerne auch Rechte. Ist das nicht problematisch?

Ich will jetzt hier nicht Verteidiger für Dieter Nuhr spielen, aber er sagt ja nicht, dass es Sprechverbote gibt. Ihm geht es darum, dass aus extremistischen Positionen, egal aus welcher Richtung, oft ein totalitärer Gedanke entsteht. Der sich dann, egal wie gut die Absicht ist oder war, immer negativ auswirkt. So habe ich das zumindest verstanden.

Dieter Nuhr hat erst kürzlich in seiner Sendung Witze über Greta Thunberg gemacht und erlebte daraufhin einen Shitstorm auf Twitter. Ihm wurde unter anderem vorgeworfen, unverhältnismäßig über Thunberg zu spotten.

Ich glaube, Dieter Nuhr weiß genau, wen er da triggert. Und er will triggern, die Diskussion anregen. Für mich ist der spannendere Teil bei Greta eigentlich, wie Leute darauf reagieren. Greta ist ja nur ein Auslöser. Man muss sich positionieren im Guten wie im Schlechten. Faszinierend finde ich daran, dass viele Menschen sich sagen: Ich senke meine eigenen moralischen Ansprüche so weit es geht ab, um meine ideologische Überzeugung zu verteidigen.

Sie sagen, Sie versuchen bei ihrem Publikum „das eine oder andere gedankliche Fenster zu öffnen“. Wer hat noch gedanklichen Nachholbedarf?

Das klingt so belehrend. Das bin ich nicht. Im besten Sinne schwebt eine gute Stand-up-Show zwischen Eskapismus und einem aufklärerischen Gedanken. Und das ohne den moralischen Zeigefinger, weil der macht es schwierig, sich zu entspannen. Wenn man zu mir kommt, kriegt man schon brachiale Gags, aber es wird auch ganz klar gemacht, was die Position ist. Mein aktuelles Programm „Fressefreiheit“ endet damit, dass ich mit den Leuten zusammen Argumente sammle für Europa. Die haben zwei Stunden bei mir gesessen, haben über alles mögliche gelacht. Über meinem Hund, über den „Islamischen Staat“, über Berlin bis zur deutschen Autobahn. Das Letzte aber was sie mitnehmen ist Europa und Frieden. So was macht mich glücklich.

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2 Kommentare

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  • Zitat: „Ich glaube, Dieter Nuhr weiß genau, wen er da triggert. Und er will triggern, die Diskussion anregen.“

    Wäre das so, wäre das echt schade. Denn dass Dieter Nuhr eine „Diskussion anregen“ kann, indem er auf Ikonen rumtrampelt, glaube ich nicht. Er wäre jedenfalls weltweit der Einzige.

    Wer Menschen ihre Heiligtümer nimmt, bringt sie viel zu sehr auf, als dass sie noch vernünftig mit ihm reden könnten. Nuhr weiß das, schätze ich. Er würde also gar nicht diskutieren wollen mit denen, die er „triggert“ mit seinen angeblichen Greta-„Scherzen“. Er würde nur die eigen Fans bedienen wollen, hätte Stadelmann recht. Mit denen, die sich – so wie er – für etwas sehr viel Bessres halten, würde Nuhr eine Art Glaubensgemeinschaft bilden wollen. Das fände ich ziemlich daneben.

    Vor allem, weil ich darin eine Art Ausbeutungsbeziehung erkennen würde. Und die verträgt sich meiner Ansicht nach nicht mit Humor. Weil Lachen auch für mich Freiheit bedeutet, die nicht auf Kosten andrer Menschen gehen darf. Sie ist sonst ganz schnell nicht mehr lustig. Sie wird dann ganz schnell extremistisch. Und wenn sie das erst mal geworden ist, ist es bis zum Totalitarismus nicht mehr weit. Die gute Absicht wirkt sich dann verheerend aus.

    Aber vielleicht schließt Stadelmann ja auch nur von sich auf andere. Auf Dieter Nuhr etwa, den er nicht anders als sich selbst denken kann. Und was im Übrigen seinen Verweis auf‘s Grundgesetz angeht: Das hilft in dieser Sache leider niemandem. Das Grundgesetz ist zu abstrakt. Die Grenzen des Humors kommt man mit Paragraphen niemals bei. Sie sind zu individuell, denn sie sind lebenswirklichkeitsabhängig.

  • Erste Frage: findet den jemand lustig?