portrait: Läufer für den Kohleausstieg
Am Dienstag wird er es geschafft haben. Yannick Liedholz ist am 18. Juli in Berlin aufgebrochen, um zu Fuß ins Rheinland zum „Klimacamp“ der Anti-Braunkohle-AktivistInnen zu gehen. „Zu-Fuß-Gehen ist die klimafreundlichste Form der Fortbewegung“, erklärt der 23-Jährige, der am Montag das nahegelegene Neuss erreicht hatte.
Liedholz ist mit Rucksack und Zelt unterwegs. An sein Gepäck hat er ein Plakat angebracht. „Ende Gelände! Kohlebagger stoppen. Klima stoppen“, steht auf dem Bild, das eine Luftaufnahme des gigantischen rheinischen Braunkohlereviers zeigt. „Jeder Autofahrer, der an mir vorbeifährt, sieht das“, freut sich der gebürtige Berliner, der gerade sein Studium der Sozialen Arbeit beendet hat und im Herbst ein Praktikum beginnt.
Der Fußgänger ist ein echter Basisaktivist, er ist in keiner Organisation oder Partei. „Ich versuche, nachhaltig zu leben“, sagt er. „Dabei ist mir schnell das Thema Klimawandel begegnet.“ Oft hat er in den vergangenen Wochen auf Campingplätzen sein Zelt aufgeschlagen, manchmal auch bei Bekannten übernachtet. Die Wanderung war strapaziös. „Es hat viel geregnet“, sagt er. Einmal so sehr, dass er ein Stückchen mit dem Bus fahren musste, einmal nahm er wegen zu großer Erschöpfung die Bahn. „Es geht ja nicht darum, sportliche Höchstleistungen zu erbringen“, sagt er. „Es geht ja um die Sache.“
Das Klimacamp in Erkelenz-Lützerath befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Brunkohletagebau Garzweiler. Die AktivistInnen versammeln sich dort, weil das rheinische Braunkohlrevier die größte CO2-Quelle in Europa ist. „Wir brauchen den Kohleausstieg jetzt“, sagt Liedholz. Das Klimacamp im Rheinland ist das erste, an dem er teilnimmt. Die AktivistInnen treffen sich regelmäßig zu mehrtägigen Veranstaltungen im Rheinland oder der Lausitz, dem anderen großen deutschen Braunkohlegebiet, um gemeinsam Aktionen zu planen, zu diskutieren oder sich fortzubilden.
Liedholz freut sich auf die Begegnung mit anderen KohlekritikerInnen. Zwei, vielleicht drei Bekannte wird er treffen. „Das ist ein Ort, an dem man mit anderen auch anders zusammenleben kann“, sagt er. „Das beginnt mit den basisdemokratischen Strukturen und hört bei den Komposttoiletten auf.“ An welche der vielen geplanten Aktionen von Demonstrationen bis zur Blockade des riesigen Braunkohlebaggers er teilnehmen wird, hat er noch nicht entschieden. „Mal sehen, wie sich das entwickelt“, sagt er. Auch wie er nach Hause kommt, wenn das Klimacamp zu Ende geht, weiß er noch nicht. Nur eines ist sicher: mit dem klimaschädlichen Flugzeug geht es nicht zurück nach Berlin. Anja Krüger
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