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petition der wocheSchutz für Europas Demokratie, auch während der Epidemie

Anlass der Petition Die Zerstörung der ungarischen Demokratie durch Viktor Orbán

Das wollen die Initiatoren Den Schutz der Demokratie in Europa

Das wollen sie nicht Dass Macht-haber die Coronakrise ausnutzen

Unter dem Vorwand, entschieden gegen die Ausbreitung des Coronavirus vorgehen zu müssen, haben viele EU-Länder den Ausnahmezustand verhängt und die demokratischen Freiheiten beschnitten. Besonders schlimm ist es in Ungarn.

Regierungschef Viktor Orbán hat das Parlament entmachtet und Wahlen untersagt. Die Pressefreiheit wird ausgehebelt, missliebige Berichte über die Coronakrise werden als „Fake News“ gebrandmarkt und hart bestraft. All das dürfte es in der EU eigentlich nicht geben, sagten sich zwei Dutzend Europaabgeordnete – und starteten Ende März eine Petition auf change.org.

„Die Demokratie muss auch während der Corona-Pandemie geschützt werden“, fordern Daniel Freund von den Grünen, Gabriele Bischoff von den Sozialdemokraten und Helmut Scholz von der Linken. Die EU-Kommission müsse sich klar gegen den politischen Missbrauch der Krise positionieren und EU-Gelder für Ungarn kürzen, um Orbán in die Schranken zu weisen und die Demokratie zu retten.

Am Gründonnerstag hatten bereits mehr als 52.000 Menschen die Petition unterschrieben, der Wirbel um Orbáns „Ermächtigungsgesetz“ war gewaltig. Doch warum nutzen Europaabgeordnete eine Internet-Plattform, um an die EU-Kommission zu appellieren? Wieso schreitet Kommissionschefin Ursula von der Leyen nicht von sich aus ein?

Daniel Freund, einer der Initiatoren der Petition, gibt darauf eine ernüchternde Antwort. „Ursula von der Leyen vermittelt den Eindruck, als ließe sich die Krise in Ungarn mit Sonntagsreden lösen“, sagt der grüne Europaabgeordnete, der früher für „Transparency International“ in Brüssel arbeitete und Orbán schon lange im Visier hat.

Freund steht mit seiner Meinung nicht allein. In Brüssel sind viele sauer auf von der Leyen. Die CDU-Politikern hat zwar auf die Krise in Ungarn reagiert, doch sie wollte Orbán nicht beim Namen nennen. Sie hat zwar angekündigt, die Corona-Ausnahmeregeln zu überprüfen – doch nicht zuerst und vor allem in Ungarn, sondern in allen EU-Staaten. Von Sanktionen war keine Rede, von Geldstrafen schon gar nicht.

Nicht viel mutiger waren 14 EU-Staaten, darunter Deutschland. Sie zeigten sich in einem Statement zwar „tief besorgt“ über Risiken für die Rechtsstaatlichkeit, die durch „bestimmte Notfallmaßnahmen“ entstehen könnten – nannten Ungarn aber ebenfalls nicht beim Namen. Das war ein Fehler: Orbán verhöhnte seine Kritiker, indem er sich der Erklärung kurzerhand anschloss.

Selbst von der Europäischen Volkspartei, der Orbáns Fidesz-Bewegung angehört, ist wenig zu hören. Die EVP könnte Fidesz zwar aus ihrer Fraktion im Europaparlament werfen, was Orbán politisch schwächen würde. 13 Mitgliedsparteien haben diesen Schritt auch schon gefordert. Doch CDU und CSU halten immer noch ihre schützende Hand über den ungarischen „Diktator“, wie Ex-Kommissionschef Jean-Claude Juncker ihn 2015 noch scherzhaft nannte.

Brüssel versagt, selbst ein Artikel-7-Verfahren – das zum Entzug des Stimmrechts für Ungarn im EU-Ministerrat führen könnte – zeigt bisher keine Wirkung. Deshalb haben sich Daniel Freund und seine Mitstreiter für den außerparlamentarischen Weg entschieden. Eric Bonse

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