ortsgespräch: Geld für Projekte gegen Antisemitismus: Die CDU-Berlin versorgt ihr eigenes Umfeld
Der Berliner Senat vergab 2025 mehrere Millionen Euro Fördergelder an Projekte gegen Antisemitismus. Kürzlich wurde bekannt, dass CDU-Politiker*innen diesen Zweck offenkundig ausnutzten, um schamlos ihr eigenes Umfeld zu begünstigen. Die Enthüllungen schreien nach Korruption – Einsicht oder gar Konsequenzen vonseiten der CDU blieben bisher jedoch aus.
Der Tagesspiegel deckte auf, dass 3,4 Millionen Euro aus einem Antisemitismus-Sondertopf für „Projekte von besonderer politischer Bedeutung“ unter Druck auf die Kulturverwaltung nach unklaren Kriterien vergeben wurden. Der ehemalige Kultursenator Joe Chialo (CDU), seine Nachfolgerin Sarah Wedl-Wilson (parteilos, für die CDU) und die CDU-Abgeordneten Dirk Stettner und Christian Goiny sind die zentralen Figuren in der Affäre. Ohne inhaltliche Prüfung der Projekte durch Fachleute sollen die CDUler eine Liste von zu fördernden Projekten selbst erstellt und gegen die Bedenken Verwaltungsangestellter durchgeboxt haben – ein Vorgehen, das nicht nur geltenden Normen in der Verwaltung widerspricht, sondern sich auch als illegal herausstellen könnte.
Doch damit nicht genug: Einige Projekte, die so begünstigt wurden, weisen merkwürdige personelle Verbindungen auf, die sich bis zu CDU-Mann Goiny selbst zurückführen lassen. Goiny sitzt mit Maral Salmassi und Marc Wohlrabe im Vorstand der CDU Lichterfelde – beide Namen sind auch mit dem frisch gegründeten „Zera Institute“ verbunden, das mit 390.000 Euro den zweithöchsten Betrag aus dem Topf bekam. Auch die islamfeindlichen und verschwörungstheoretischen Äußerungen Salmassis in den sozialen Medien waren dabei wohl kein Hindernis.
Im „Zera Institute“ sitzt auch der Musiker Mark Pinhasov, der wiederum auch Geschäftsführer des „Mosaik G.C.B.“ und Co-Vorsitzender des „Future Narrative Fund“ ist. Beide Projekte haben außer inhaltlich überschaubarer Websites, auf denen lediglich nichtssagende Unternehmensziele zu lesen sind wie „bedeutender kultureller Austausch, der Verständigung und Einigkeit fördert“, nichts an bisheriger Arbeit vorzuweisen.
Auf der Website von „Mosaik G.C.B“ hat man sich immerhin die halbherzige Mühe gemacht, mit künstlicher Intelligenz Bilder im Filmposter-Stil zu generieren, um zumindest den verzweifelten Anschein von geleisteter Arbeit zu geben. Trotz allem hielt die CDU die beiden Projekte mit und 39.000 Euro und rund 90.000 Euro für unbedingt förderwürdig.
Auf die naheliegenden Vorwürfe der Korruption reagiert Goiny wiederum völlig verständnislos: „Absurd“ nennt er sie und wirft Opposition und Verwaltung im Gegenzug Antisemitismus vor. Seine Behauptung: Von der CDU habe niemand Einfluss auf die Vergabe genommen. Dabei hat das die Senatskulturverwaltung in einem Bericht inzwischen selbst eingeräumt: „Die Bescheidung der Projektanträge lag in der Verantwortung der Hausleitung; beteiligt waren Mitglieder der Koalitionsfraktionen.“
Das ganze Ausmaß der Affäre ist noch nicht bekannt, denn regelmäßig werden neue Erkenntnisse öffentlich. Darunter fällt etwa auch die Nachricht, dass Goiny und Chialo eine Fachjury für die Fördervergabe anderweitiger Gelder gegen Antisemitismus verhinderten, weil sie ihnen „zu links“ und „BDS-nah“ gewesen sei. Was inzwischen aber jedenfalls doch klar ist: Die CDU missbraucht den Kampf gegen notwendigen Antisemitismus für ihr eigenes Umfeld und den Kulturkampf – und ist trotz der Beweislage nicht bereit, ernsthafte Konsequenzen daraus zu ziehen.
Anselm Mathieu
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen