orte des wissens: Immer wieder mutiert
Von der Gewässerbiologie zur Evolution: Das heutige Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in Plön hat sich immer wieder auch an die wissenschaftlichen Interessen seiner Leiter angepasst
Anpassungsdruck, Mutationen, Rekombinationen, Selektionen und Gendrift: Man könnte die Entstehung des heutigen Max-Planck-Instituts (MPI) für Evolutionsbiologie in Plön mit jenen Begriffen beschreiben, die dort seit rund 15 Jahren Gegenstand von Grundlagenforschung sind.
Entstanden ist das Institut aber schon viel früher, 1891, 32 Jahre nach der Veröffentlichung von Charles Darwins „Die Entstehung der Arten“, noch deutlich weniger spezialisiert als heute: als „Biologische Anstalt zu Plön“. 1917 übernahm der MPI-Vorläufer Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft das Institut, das zur „Hydrobiologischen Anstalt“ mutierte. Inmitten all der Gewässer der Holsteiner Seenplatte betrieb der gerade an die Universität Kiel berufene Zoologe und Ökologe August Thienemann gewässerbiologische Forschung, vor allem über Plankton. Heute gilt Thienemann als einer der Begründer der Limnologie, der Wissenschaft von den Binnengewässern als Ökosystemen.
40 Jahre lang leitete Thienemann das Institut, dann wurde es dort mit dem Limnologen Harald Sioli tropisch, und das Institut passte sich erneut an: Mit zahlreichen Expeditionen nach Brasilien begründete Sioli die Amazonas-Ökologie und trug zur Entstehung der Tropenökologie bei. Auf Sioli geht die Rede vom Amazonas-Gebiet als „grüner Lunge des Planeten“ zurück: 1971 wies er in einem Interview auf den Zusammenhang von Abholzung der Amazonaswälder und dem Anstieg der Kohlendioxidkonzentration in der Luft hin. Ab 1966 dann gab es den nächsten Selektionsdruck: Der Ökologe Hans-Jürgen Overbeck baute als zweiter Direktor die experimentelle Ökosystemforschung am jetzt „Institut für Limnologie“ benannten Haus aus.
Die Evolution selbst als Forschungsgegenstand kam aber erst 1984 mit dem neuen Direktor Winfried Lampert ans Institut, seit 2007 heißt es nun Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie. Heute leiten drei Direktoren die drei Abteilungen Evolutionsgenetik, Evolutionstheorie und Mikrobielle Populationsbiologie, darüber hinaus gibt es unabhängige Forschungsgruppen. Rund 200 Wissenschaftler:innen wollen so organisiert verstehen, wie grundsätzliche evolutionsbiologische Prozesse vonstatten gehen: Wie passen sich Organismen, darunter auch der Mensch, ökologisch an? Wie entsteht Sexualität?
In der Forschungsgruppe für „biologische Uhren“ etwa beschäftigt sich die Doktorandin Jule Neumann mit der Funktionsweise der „circalunaren“ Uhr, also der „Monduhr“ in der Meeresmücke Clunio. Die Tiere schlüpfen nämlich nur bei Voll- und Neumond. Aber wie funktioniert diese biologische Uhr auf der molekularen Ebene? Denn während die Vorgänge bei der „circadianen“ Uhr, die die täglichen Rhythmen von Stoffwechsel und Verhalten steuert, weitgehend bekannt sind, sind die Grundlagen von Mond-, Gezeiten- oder Jahresuhren noch weitgehend unentdeckt.
Eine ganz andere Perspektive nimmt die Forschungsgruppe „Molekulare System Evolution“ ein. Sie beschäftigt sich mit der Frage, wie genetisch verschlüsselte Informationen im Prozess der Genexpression in Genprodukte, zum Beispiel in Proteine, übersetzt werden. Das Rätsel dabei: Weil das netzwerkartig passiert, spielt der Zufall eine große Rolle und verursacht quasi ein „Rauschen“ beim Übersetzen der Informationen, also in ihrer Expression. Wie schafft es nun dieses regulatorische Netzwerk, dass all das nicht im puren Chaos endet?
Aber auch mit dem Sozialen beschäftigt man sich in Plön: Die Forschungsgruppe „Dynamik von sozialem Verhalten“ etwa untersucht spieltheoretisch, unter welchen Bedingungen Kooperation entstehen kann, indem sie soziale Interaktionen in strategische Spiele übersetzt und mithilfe von Mathematik, Computersimulationen oder Verhaltensexperimenten analysiert. Robert Matthies
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