Đoković, Alcaraz und der Rest: Die sollen das große Tennis sein?
Die Werbung rund um die US Open suggeriert, es gebe nur noch zwei Stars: Altmeister Đoković und den Neuen Alcaraz. Tennis können aber auch andere.
Es war vor drei Wochen nach dem Finale von Cincinnati, einem der großen Masters-Turniere auf der Tennis-Tour, als sich der Administrator des offiziellen Twitter-Kanals der US Open etwas leichtfertig und unter dem Eindruck eines sagenhaften Endspiels zwischen Carlos Alcaraz und Novak Đoković zu einem Tweet hinreißen ließ. „Wir sehen uns hoffentlich im Finale von New York wieder.“ So stand es da.
Der Tweet wurde tausendfach gelikt. Denn auch die Tennis-Bubble will dieses Match um jeden Preis noch einmal sehen. Am liebsten natürlich im Finale der Unites States Open, dem letzten der vier Grand-Slam-Turniere, das gerade in New York in die zweite Woche geht.
Man wird in diesen Tagen das Gefühl nicht los, dass sich im Welttennis alles nur noch um das Duell Alcaraz gegen Đoković dreht. Die großen Banner auf den Zuwegen zur Anlage sind mit übergroßen Porträtbildern der beiden Tennisprofis bedruckt. Die amerikanischen TV-Kommentatoren ziehen bei jeder Gelegenheit Vergleiche zum Duo, selbst wenn die Nummer 1 und 2 der Männer-Weltrangliste mal gerade nicht spielen.
Wer wird denn überhaupt eine Chance haben gegen Alcaraz und Đoković auf dem Weg durch ein langes Turnier, in dem sich der Spanier und der Serbe ja sowieso im Endspiel wieder treffen werden? Vorher können sich die beiden besten Spieler der Welt tatsächlich nicht auf dem Platz begegnen. Die Setzliste in New York wollte es so.
Hype um das Generationenduell
Der Hype um das Generationenduell hatte seinen Ursprung in Wimbledon. Im Juli lieferten sie sich beim Rasenklassiker an der Church Road ein sagenhaftes Match. Das Endspiel wurde – natürlich – erst im fünften Satz entschieden. Es dauerte fünf Stunden. Alcaraz, der 20-jährige Super-Athlet, feierte am Ende seinen bisher größten Sieg. Er hat zwar schon die US Open 2021 gewinnen können, im vergangenen Jahr war Đoković in New York wegen seines Impfstatus und einer damaligen Einreisesperre nicht dabei. Der Titel war also nur die Hälfte wert.
Jetzt, in Wimbledon, hatte er den Dauersieger aber bezwungen. Viele sahen darin eine Zeitenwende im Herren-Tennis. Aber Đoković schaltete nur wenige Wochen später in Cincinnati wieder in den Beast-Modus und gewann die Revanche. Dabei wehrte er sogar Matchbälle ab. In beiden Matches spielten Alcaraz und Đoković Tennis wie vom anderen Stern. Es gab aberwitzige Ballwechsel fast im Minutentakt. Die Kontrahenten trieben sich gegenseitig zu Höchstleistungen an. Das war natürlich unterhaltend. Und am liebsten möchte man immer diese Art Tennis auch als Fan sehen. Insofern kann man diejenigen, die jetzt darauf hoffen, dass das Duell auch in New York gewissermaßen das einzige logische Finale am Ende des Turniers sein wird, auch verstehen.
„Bisschen respektlos“
Was aber auch richtig ist: Die restlichen Spieler der Männer-Konkurrenz können eben auch Tennis spielen. Alexander Zverev, Deutschlands bester Tennisspieler, der aus gesunder eigener Einschätzung immer selbst zum Favoritenkreis bei den Grand-Slam-Turnieren zählt, kann schon verstehen, dass der Hype um Alcaraz und Đoković groß ist. „Sie haben sich den Status irgendwie auch verdient durch die tollen Matches.“ Andererseits sei es eben doch auch ein bisschen respektlos – den anderen gegenüber. Zverev verwies Anfang der Woche auf Spieler wie Daniil Medwedew, der auch schon mal die US Open gewinnen konnte. Oder den jungen talentierten Italiener Jannik Sinner. Und klar, auf sich selbst natürlich auch.
Zverev hat noch eine andere Erklärung für die Zuspitzung auf Alcaraz und Đoković: „Es ist von den Medien schon immer auch etwas gewollt, sich auf diese Sachen zu stürzen.“ Man wolle eben immer eine Rivalität haben. Früher war es die zwischen Nadal und Federer. Jetzt eben die zwischen Đoković und Alcaraz. Er sei lange im Geschäft dabei, sagte Zverev. Er kenne das. Der Deutsche hat am Donnerstag sein Zweitrundenmatch gegen Daniel Altmaier in vier Sätzen gewonnen. Alcaraz und Đoković sind in ihren Auslosungshälften bisher noch ohne Satzverlust. Ihre Darbietungen waren, wie man in Tenniskreisen sagt, „klinisch“. Glatt, sauber, makellos. Aber der Tennissport ist zu vielschichtig und kompliziert, als das man jetzt schon das Finale bei den US Open vorhersehen kann.
Đoković, der 23-fache Grand-Slam-Sieger, sieht es übrigens ganz ähnlich. In New York sagte er diese Woche, dass er zwar gerne wieder Alcaraz im Endspiel treffen würde, dass dieser Gedanke aber in gewisser Weise auch nicht förderlich sei, dorthin erst mal zu kommen. „Ich mache es wie immer und sage zu mir selbst, dass jedes Match zunächst gespielt werden muss.“ Der alte Meister weiß Bescheid.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen