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nachrufVom Viehdieb zum Oberboss

Während seiner ganzen Karriere begleitete ihn der Spitzname „u tratturi“, sizilianisch für: der Traktor. Und das war nicht etwa eine Anspielung auf seine ländliche Herkunft. „Traktor“ wurde Bernardo Provenzano getauft, weil seine Opfer erbarmungslos unter die Räder gerieten.

1933 geboren, brach Provenzano nach nicht einmal zwei Jahren die Grundschule ab, arbeitete als Landarbeiter, später als Viehdieb. Schon als Jugendlicher schloss er sich dem Mafia-Clan des Bergdorfs Corleone an, gemeinsam mit einer weiteren vielversprechenden Nachwuchskraft: Salvatore „Totò“ Riina. Im Duo wurden die beiden, die durch auch für Mafia-Standards außergewöhnliche Brutalität auffielen, 1974 die Bosse von Corleone. Doch ihr Aufstieg hatte erst begonnen. Im Jahr 1981 entfesselten sie, die den Mafiosi aus der Provinzhauptstadt Palermo als ungeschlachte Landeier galten, einen Krieg gegen die Bosse aus der Großstadt. Wenige Jahre später sind sie am Ziel: Riina ist nun Boss der Bosse auf Sizilien, Provenzano seine rechte Hand. Gemeinsam verantworten sie Dutzende Morde an Polizisten, Politikern, Richtern und Staatsanwälten.

Ihren Höhepunkt erreicht die Cosa-Nostra-Offensive gegen den Staat mit den Bombenattentaten von 1992, denen die Staatsanwälte Giovanni Falcone und Paolo Borsellino sowie Falcones Ehefrau Francesca Morvillo und acht Begleitschützer zum Opfer fallen.

Endlich reagiert der Staat: Im Januar 1993 wird Riina verhaftet, Provenzano bleibt auf freiem Fuß. Seitdem halten sich Gerüchte, er habe Riina an den Staat verkauft. Seitdem auch steht der Verdacht im Raum, es habe einen Deal zwischen Staatsvertretern und Provenzano gegeben. Sicher ist, dass Provenzano in all den Jahren trotz diverser präziser Hinweise nie verhaftet wurde. Er, der seit 1963 zur Fahndung ausgeschrieben war, der ungezählte Verurteilungen zu „lebenslang“ einkassiert hatte, konnte sein Leben als höchster Mafiaboss ungestört weiterführen.

Erst am 11. April 2006 wurde er endlich verhaftet. Die letzten zehn Jahre seines Lebens verbrachte er im Hochsicherheitsgefängnis. Am Mittwoch starb er nach langer Krankheit.Michael Braun

Gesellschaft + Kultur SEITE 14

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