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TikTok-Trend „PingTok“Ballern, aber make it cute

Auf TikTok feiern Teenies ihren Drogenkonsum. Das Problem sind aber weniger die Drogen, sondern vielmehr die Like-Ökonomie der Plattform.

„Augen voller Liebe“: Rausch als Social-Media-Content Foto: Motortion/getty images

Von

Giorgia Grimaldi aus Berlin

Riesige Pupillen, wackelige Kameraführung, verträumte Musik und vermeintlich poetische Zeilen wie „girls who ping together stay forever“ rauschen gerade durch viele „For You Pages“ auf TikTok. Junge Menschen, besonders Mädchen, filmen ihren Drogenkonsum. Der Trend trägt einen Namen: PingTok.

Unter den Videos finden sich Kommentare wie „große Teller“ (für geweitete Pupillen) oder Suchanfragen wie „Hat wer Wuppertal?“, „Kiel?“, „Will jemand was zusammen nehmen Nähe Düsseldorf?“. Die schwammigen Blicke zugedröhnter Kinder mit Pausbacken und Zahnspange werden als „Augen voller Liebe“ bezeichnet.

Wer diesen Trend als Ausdruck von „Weltschmerz“ oder „Einsamkeit“ der Jugend verklären will, mag vielleicht recht haben. Doch das ist nicht das eigentliche Problem. Drogenkonsum unter Jugendlichen ist kein exklusives Phänomen dieser Generation. Neu ist die Öffentlichkeit. Früher zog man die Gardinen zu. Heute schaltet man die Kamera ein. Rausch ist nicht mehr Eskapismus, sondern Content.

Wie groß PingTok bereits ist, zeigen etwa Zahlen der Analyseplattform TikTokHashtags.com. Dort finden sich rund 16.700 Beiträge unter #pingtok mit insgesamt 466 Millionen Aufrufen. Der Trend funktioniert vor allem dank sogenanntem Algospeak, kodierter Sprache, die den Algorithmus austricksen soll. So haben erstaunlich viele Jugendliche eine „Tante Emma“ (MDMA) oder einen „Onkel Ben“ (Benzodiazepine), mit denen sie sehr gerne abhängen. Daneben existiert als süße Variante des Trends auch PinkTok, bei dem Drogenkonsum semantisch in rosa Zuckerwatte gepackt wird. Ballern, aber make it cute.

Suchtdruck, der immer wieder aufpoppt

Und während der Algorithmus einerseits umgangen werden soll, merken doch viele nicht, dass sie ihm dennoch zum Opfer fallen. Der Algorithmus unterscheidet nicht zwischen Drogen und Dessert. Und so rutscht neben Matcha-Latte, KI-Filtern und überteuertem Fruchteis-Konfekt auch Ecstasy wie ein weiterer Lifestyle-Trend in die Feeds. Wer einmal klickt, bekommt Nachschub. So entsteht der Eindruck: Das machen doch alle.

Das geht so weit, dass es Teenies gibt, die mittlerweile wieder clean sind und die Konsumierenden bitten, ihren PingTok-Content nicht mehr zu posten, weil das enormen Suchtdruck bei ihnen auslöse.

Durchforstet man das Internet nach den Ursprüngen von PingTok, landet man irgendwann bei Videos von Leuten, die davon berichten, bereits 2020 Opfer von PingTok geworden zu sein. Neu ist also nicht der Trend, sondern nur, dass die Gesellschaft darauf aufmerksam wird.

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