kommentar von Kai von Appen über die Kündigung der Hochschulräume für die G20-Aktionskonferenz: Ungewollte Mobilisierungshilfe
Die Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg – kurz HAW – hat eigentlich einen guten Ruf. Sie gilt als fortschrittlich und als Ort, an dem politische Meinungsbildung einen Platz hat. Daher ist es naheliegend, dass der Allgemeine Studierendenausschuss der HAW die Hochschule als Forum für die Aktionskonferenz gegen den G20-Gipfel anbietet, um inhaltliche Kritik am Treffen der Regierungschefs der 20 Industrienationen zu formulieren. Brisante Fragen zur gesellschaftlichen Entwicklung müssen an einem Ort der Wissenschaft ihren Platz haben können.
Dass es dabei dann auch darum geht, zu diskutieren, durch welche Aktionsformen diese Kritik an der Machtpolitik der G20-Staaten beim Gipfel wirksam an die Öffentlichkeit transportiert werden können, ist – banal gesagt – selbstverständlich. Dass nun Hochschul-Präsident Claus-Dieter Wacker wenige Tage vorher die Reißleine zieht und die Tagung in den Hochschulräumen verbieten möchte, ist ein Armutszeugnis für die Hochschule – und eine Attacke auf die freie Meinungsäußerung.
Es klingt einfach unglaubwürdig, wenn Wacker behauptet, er habe erst jetzt erfahren, worüber seit Wochen berichtet wird: Dass zu den Teilnehmern auch Organisationen gehören, die unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehen. Und wenn schon – in manchen Kreisen wird das ja eher als eine Auszeichnung angesehen. Verboten sind sie schließlich nicht.
Daher kommt die kurzfristige Kündigung der Räume nicht nur dem Versuch einer Zensur gleich, sondern trägt das Merkmal von Sabotage. Hier macht sich eine Hochschule zum Büttel von Politik und Polizei. Es tritt genau das ein, was die Gipfel-KritikerInnen beschwören: Dass solche Gipfel in einer Millionenstadt – sei es nun G20 oder OSZE – die Repression gegen fortschrittliche Kräfte verschärfen.
Das Gute ist nur – das vergessen aufgestachelte Frontkämpfer leicht –, dass Verbote eher das Gegenteil erreichen und gerade mobilisierend wirken. Denn wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen