kneipenkrieg: Durst kennt keine Gesetze
Es ist ein heißer Sommer – zumindest in Friedrichshain. Vor zwei Wochen plante das Bezirksamt eine Sonderregelung: Ab acht Uhr dürften die Kneipen nur noch sechs Stühle auf dem Gehweg bedienen. Baustadtrat Schulz nahm dies zurück, als er aus dem Urlaub kam.
Kommentarvon SIMON JÄGGI
Die skurrile Maßnahme klingt nach übermotivierten Beamten, entspricht aber der Lärmschutzverordnung. Wird jetzt einer möglichen Klage der Anwohner stattgegeben, kann es erneut zu ähnlich lebensfernen Maßnahmen kommen. Schulz sähe sich gerne in der Rolle des Vermittlers. Seit zwei Wochen versucht er vergeblich, die Anwohner an den Gesprächstisch zu bringen. Die 22-Uhr-Regelung ist sein Kniefall vor den Anwohnern.
Die haben genug, Sommer für Sommer steigert sich die Lärmbelastung. Munter stellte das Wirtschaftsamt in den letzten Jahren Lizenzen für Kneipen aus. Und wer Kneipen sät, wird Lärm ernten.
Verständlich, dass die Anwohnerinititative, die sich „die Aufgeweckten“ nennt, jetzt den Dialog verweigert. Gemessene Höchstwerte von 93 Dezibel in der Simon-Dach-Straße sind keine Ruhestörung mehr, sondern grenzen an Körperverletzung.
Aber: Die militante Haltung der „Aufgeweckten“ schadet ihnen selbst. Eine totenstille Wohnwüste ist nicht attraktiv. Die Anwohner haben das Recht auf ihrer Seite, aber eine Lärmschutzverordung ist nicht das Maß aller Dinge.
Die Kollwitzstraße ist ein Beispiel, dass Wirte und Anwohner im Dialog Lösungen finden können. Um Frieden zu schließen, ist der Gerichtssaal kein guter Ort. Besser versuchen es die Betroffenen bei einem kühlen Bier – in einem Straßencafé.
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