internationales literaturfestival berlin: Unsere Wiesen der blauen Blumen
In Berlin wurde das internationale literaturfestival von der Autorin Cristina Rivera Garza eröffnet. Und der Kulturstaatsminister zitierte Rilke.

Cristina Rivera Garza, in diesem Jahr curator in residence, setzte im Haus der Berliner Festspiele am Donnerstagabend angesichts der Übel in der Welt zum kollektiven Luftholen an. Die zeremoniellen Pausen („let’s take a deep breath together“) standen dabei mit dem Inhalt ihrer Rede in Zusammenhang.
Die mexikanische Autorin spürte in ihrem mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Memoir dem Femizid an ihrer Schwester nach. Beim Lesen von deren Notizen sei sie nicht nur mit ihrer Interpretation der Welt in Berührung gekommen, so Rivera Garza, sondern auch ihrem Körper sehr nahe gewesen: „ihrer Art zu atmen“. Die Macht der Vorstellungskraft liege darin „Realität zu erzeugen“, so die Festivalkuratorin, die ferner auf die transformatorische Kraft des Lesens aufmerksam macht: „Wir imaginieren mit anderen, aber aus uns selbst heraus“.
Wolfram Weimer zitiert Rilke
internationales literaturfestival berlin (ilb): bis zum 20.9., Junges Programm vom 15. bis zum 24.9.
Im Anschluss an Rivera Garza stellte der studierte Germanist Wolfram Weimer seine Literaturkenntnisse unter Beweis. Internationale Literaturstars wie Arundhati Roy, Abdulrazak Gurnah und Isabel Allende treten beim diesjährigen ilb auf, der Kulturstaatsminister assoziiert jedoch eher im deutschen Sprachraum. Hölderlin sei ihm in den Sinn gekommen, auch ein Rilke-Zitat zum Thema Atmen hatte er sogleich zur Hand. Weimer wechselte sodann in politisches Fahrwasser: Er erwähnte „Ressentiments von rechts“, auch der Antisemitismus mache ihm Sorgen.
Wirklich um treibe ihn jedoch das Thema KI. Er empfinde das Vorgehen chinesischer und amerikanischer Konzerne als kolonialistisch, „hinein in unsere Wissensgesellschaft“ und, das sagt der Romantiker Weimer tatsächlich, „auch auf unsere Wiesen der blauen Blumen, die wir haben“. Er habe zuletzt eine ganze Reihe an Tech-CEOs gewarnt, dass Deutschland und Europa „das so nicht mitmachen“.
Festivalleiterin Lavinia Frey hatte in ihrem Grußwort besorgt in die Zukunft geschaut: Was uns politisch und gesellschaftlich bewegen werde in den nächsten Jahrzehnten, wisse sie nicht. Um die nahe Zukunft des ilb scheint sie sich erst mal keine Sorgen machen zu müssen. Die Bundesregierung, sicherte Weimer zu, werde das Festival weiterhin unterstützen.
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