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indymedia fordert PressefreiheitPlattform oder Zeitung?

Seit zwei Jahren ist „linksunten.indymedia“ verboten. Eine ehemalige Autorin hat nun beantragt, das Verbot aufzuheben.

Seit dem Verbot von linksunten.indymedia, sind viele der MitautorInnen auf andere Seiten ausgewichen Foto: dpa

Berlin taz | Zwei Jahre nach dem Verbot der Internetplattform linksunten.indymedia hat eine ehemalige Autorin einen Antrag auf Aufhebung des Verbots beim Bundesinnenministerium eingereicht. Auf rund 120 Seiten argumentiert Detlef Georgia Schulze gegen die Maßnahmen gegen linksunten und beruft sich dabei auf das Zensurverbot.

Schulze, die sich als politische Aktivistin und „Rechtstheo­retikerin“ sieht, wird von den Ermittlungs­behörden nicht der Organisation oder Moderation von linksunten zugerechnet. Sie selbst gibt an, lediglich als Autorin der Plattform mitgewirkt zu haben. Ihre Beiträge veröffentlichte Schulze stets unter ihrem Klarnamen – meist zu theoretischen und strategischen Diskussionen innerhalb der radikalen Linken.

Das Bundesinnenministerium hatte linksunten im August 2017 verboten. Dazu wurden mutmaßliche Betreiber*innen der Plattform zu einem Verein erklärt, der durch das Verbot aufgelöst wurde. Auf linksunten konnten Nutzer*innen – auch anonym – Beiträge ohne redaktionelle Kontrolle veröffentlichen.

Die Plattform wurde vor allem von Gruppen und Einzelpersonen aus der radikalen Linken verwendet. Das Bundesinnenministerium argumentierte, das Verbot sei notwendig, da auf der Plattform auch mutmaßlich strafbare Inhalte wie etwa Aufrufe zu Straftaten oder Bekennerschreiben veröffentlicht wurden.

Strafanzeige erwünscht

Gemeinsam mit zwei anderen Autoren veröffentlichte Schulze bereits 2017 eine Protesterklärung gegen das Verbot der Plattform. Das Landeskriminalamt Berlin ermittelte daraufhin gegen Schulze und ihre beiden Mitstreiter wegen Unterstützung des verbotenen Vereins und Verwendung von dessen Kennzeichen.

Mittlerweile wurde Strafanzeige gegen die drei linksunten-Auto­r*in­nen erstattet. In Zuge dessen erhielten sie Akteneinsicht, wodurch sie auch Zugang zu der nichtöffentlichen Begründung der Verbotsverfügung bekamen. Diese brauchte Schulze, um von sich aus gegen das Verbot aktiv zu werden.

Der nun mehr als 100 Seiten umfassende Antrag, den Schulze am Wochenende im Bundes­innenministerium einreichte, weicht in der Argumentation von den bisherigen Verfahren im Zusammenhang mit der Plattform ab. Die Anwäl­t*in­nen der Personen, denen die Verbotsverfügung zugestellt wurde und die von Durchsuchungen, Beschlagnahmungen und Überwachungsmaßnahmen betroffen sind, argumentieren in Bezug auf linksunten, dass das Vereinsverbot nichtig sei, da es keinen Verein gegeben habe.

Ihren Antrag hat die Autorin Schulze mit Der zensierende Staat ist ein Monster überschrieben

Statt auf das Vereinsgesetz hätte das Bundesinnenministerium auf das Telemediengesetz zurückgrei­fen müssen – und gegen jeden beanstandeten Artikel auf linksunten einzeln vorgehen müssen. Ein entsprechendes Verfahren ist beim Bundesverwaltungsgericht anhängig, einen Termin für die Verhandlung gibt es noch nicht.

Pressefreiheit für „linksunten“

Im Antrag von Schulze spielt die Frage, ob das Vereinsverbot nichtig sein müsse, eine untergeordnete Rolle. Stattdessen konzentriert sie sich auf die Meinungs- und Pressefreiheit. Das zentrale Argument lautet: linksunten sei ein Medium, eine „Internetzeitung“ gewesen, und keine „Internetplattform“, wie das Bundesinnenministerium es bewertet. Als Zeitung sei Indymedia durch die Pressefreiheit geschützt, was insbesondere bedeute, dass eine Zensur verboten sei.

Ihren Antrag hat Schulze mit „Der zensierende Staat ist ein Monster“ überschrieben. Sie argumentiert, dass der Staat nicht präventiv alle künftigen Beiträge durch eine Ab­schaltung der Plattform verhindern dürfe, selbst wenn einzelne Beiträge in der Vergangenheit womöglich strafbar gewesen seien.

Dies sehen die Anwält*innen der mutmaßlichen Be­trei­be­r*in­nen von linksunten-ähnlich. Doch die Presse- und Meinungsfreiheit gelte aus ­ihrer Sicht nicht nur für Zeitungen, sondern auch für „Open-Posting-Plattformen“ wie linksunten. Kristin Pietrzyk, eine der An­wäl­t*in­nen, sagte der taz, dass sie den Antrag für unzulässig halte, auch wenn sie ihn nicht kenne.

Zudem sehe sie die „Gefahr, nicht nur vom eigentlichen Verbotsverfahren abzulenken, sondern auch im Fall des Obsiegens des Innenministeriums vor Gericht in der öffentlichen Debatte die Klage unserer Mandanten zu delegitimieren und damit der Verbotsbehörde in die Hände zu spielen“.

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