heute in hamburg: „Erdgas ist blutbefleckt“
Klima-Cornern zur Vorbereitung auf „Ende Gelände“ in Brunsbüttel, Diskussion mit dem argentinischen Wissenschaftler Esteban Servat über Fracking und koloniale Ausbeutung im globalen Süden, 19 Uhr, Brooktorpromenade
Interview Katharina Schipkowski
taz: Frau Schröter, der Klimaprotest von „Ende Gelände“ kommt in diesem Jahr zum ersten Mal nach Brunsbüttel. Hat es sich im Rheinland ausprotestiert?
Joli Schröter: Nein, uns geht es ja um Klimagerechtigkeit. Da ist die Kohle, die im Rheinland abgebaut wird, nicht der einzige Faktor. Andere fossile Brennstoffe wie Erdgas richten auch massive Schäden an.
Aber Gas ist doch nur eine Brückentechnologie und besser als Kohle, oder?
Von einer Brückentechnologie würde ich nicht sprechen, wenn dafür erst mal eine Infrastruktur gebaut werden muss. In Brunsbüttel soll ein LNG-Terminal entstehen, das sich erst in 15 Jahren rentieren wird. Dabei soll Deutschland laut Bundesregierung 2045 klimaneutral sein. Aber Gas ist ein Klimakiller: Erdgas besteht zum Großteil aus Methan, das ist noch viel klimaschädlicher als CO2.
Das geplante LNG-Terminal wollen Sie blockieren?
Es gibt viele Ziele in Brunsbüttel, darunter einen ganzen „ChemCoastPark“: ein großes Industriegebiet mit Kraftwerken wie zum Beispiel dem Düngemittelproduzenten Yara, der auch Gas verwendet und mit seinem chemischen Dünger Böden zerstört und dem Klima schadet.
Warum laden Sie zum Cornern in die Hafencity ein?
Wir treffen uns dort vor dem Firmensitz der Unternehmensgruppe Marquart & Bahls, die maßgeblich an der Finanzierung des LNG-Terminals beteiligt ist. Zu Gast haben wir einen Referenten aus Argentinien. Er kommt aus Mendoza, einer Ölschieferregion, wo durch Öl- und Gasabbau massive Umweltschäden verursacht werden. Daran ist zum Beispiel auch das deutsche Unternehmen Wintershall DEA beteiligt.
Joli Schröter
24, ist Klimaaktivistin und Sprecherin vom Bündnis „Ende Gelände“.
Aber dieses Gas landet nicht in Brunsbüttel, oder?
Die Verflechtungen sind global: Das Gas hierzulande wird oft durch Fracking in den USA gewonnen. Das Wasser, das dafür in den Boden gepumpt wird, wird wiederum woanders abgepumpt. Das alles geht mit vielen Menschenrechtsverletzungen einher. Das Erdgas, von dem wir hier profitieren, ist blutbefleckt. Die Hafencity steht auch exemplarisch für diese kolonialen Kontinuitäten.
Wie groß wird Ende Gelände in diesem Jahr?
Wir leben immer noch in der Pandemie, deshalb wird es nicht so groß werden wie in den Jahren zuvor, sondern eher so wie im vergangenen Jahr. Aber es wird ein Camp geben und mehrere dezentrale Aktionen, an denen man sich beteiligen kann.
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