piwik no script img

heute in hamburg„Der Sozialstaat muss gestärkt werden“

Diskussion „Sozialstaat der Zukunft“ mit Kevin Kühnert und Jutta Blankau: 14:30 Uhr, Bürgerhaus Bornheide Osdorf, Bornheide 76, Übertragung per Video-Livestream, Anmeldung unter altona@awo-hamburg.de

Interview Paula Bäurich

taz: Frau Blankau, warum hängt die Entwicklung des Sozialstaats so eng mit der Digitalisierung zusammen?

Jutta Blankau: Die Digitalisierung führt dazu, dass einerseits Beschäftigte entlastet werden, da die körperliche Arbeit weniger und das Arbeiten im Homeoffice immer leichter wird. Andererseits rückt dabei die Frage immer mehr in den Vordergrund, welche negativen Auswirkungen die Digitalisierung für den Umgang mit den Menschen haben kann.

Welche denn?

Zum Beispiel sehe ich die Gefahr, dass ältere Menschen irgendwann überwiegend von Robotern betreut werden. Das sollte auf keinen Fall passieren. Stattdessen sollte die Digitalisierung zum Wohl der Menschen, die betreut werden müssen, und zur Entlastung der Angestellten beitragen. Zudem besteht die Gefahr, dass Bevölkerungsteile durch die Digitalisierung abgehängt werden und so die Spaltung der Gesellschaft weiter voranschreitet. Zum Beispiel fallen durch die Digitalisierung Arbeitsplätze weg und die Anforderungen für Jobs steigen.

Wie kann man solchen Entwicklungen entgegenwirken?

Der Sozialstaat muss insgesamt gestärkt werden. Im Mittelpunkt sollte dabei stehen, dass er gerechte Leistungen für alle erbringt. Digitale Teilhabe muss durch kostenlose Bildung und Fortbildung gewährleistet werden. Außerdem schlage ich eine Vollversicherung in der Pflege vor, also eine Abschaffung der Eigenbeiträge. Zudem brauchen wir mehr Tarifverträge und einen höheren Mindestlohn.

Welche Rolle spielen Wohlfahrtsverbände dabei?

Jutta Blankau, 65, ist Präsidiumsvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Hamburg. Bis 2015 war sie Senatorin für Stadtentwicklung und Umwelt.

Wohlfahrtsverbände sind auch in Zukunft maßgeblich die Träger der Umsetzung dessen, was den Sozialstaat ausmacht. Zum Beispiel im Kita- und Pflegebereich spielen wir eine wichtige Rolle und setzen uns dafür ein, dass zukünftige Entwicklungen zugunsten der betroffenen Menschen und nicht zugunsten von privaten, renditeorientierten Unternehmen passieren.

Wie soll der Sozialstaat der Zukunft aussehen?

Der Staat muss mehr Verantwortung übernehmen und Rahmenbedingungen schaffen, mit denen prekäre Beschäftigungsverhältnisse überwunden werden können. Dabei müssen die Wohlfahrtsverbände die Möglichkeit bekommen, digitale Teilhabe für alle Bevölkerungsschichten zu ermöglichen. Zurzeit haben wir, glaube ich, gute Chancen, dass sich unser Sozialstaat positiv entwickelt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen