heute in hamburg: „Für eine große Überraschung gesorgt“
Podiumsdiskussion: Wie viel Protest braucht der Klimaschutz?: 20 Uhr, Lagerfeuer im Barboncino (Pudel Club oben),
St. Pauli Fischmarkt 27
Interview Gernot Knödler
taz: Herr Kraushaar, wann geht den Fridays for Future die Luft aus?
Wolfgang Kraushaar: Viele haben sich bereits vor der Sommerpause gefragt, ob es möglich sein würde, diesen Mobilisierungsgrad bis in den Frühherbst zu halten. Die meisten sind eines Besseren belehrt worden. Es ist ein erstaunliches Zwischenergebnis, dass es dieser Bewegung gelungen ist, eine solch überraschende Konstanz zu zeigen.
Reicht die soziale Basis für einen langen Atem?
Die Bewegung hat sich vor allem aus den Schulen heraus gebildet. Die Akteure sind in der Regel sehr jung und in der Mehrzahl weiblich. Prognosen darüber, wie lange es gelingen wird, ihre Ziele auf der Straße zu formulieren, verbieten sich.
Wo würden Sie die Fridays for Future in die Reihe der Protestbewegungen einordnen?
Am ehesten unter die internationalen Bewegungen und zwar die der letzten zwei Jahrzehnte: die Antiglobalisierungsbewegung und Occupy-Wall-Street. Die Antiglobalisierungsbewegung gibt es immer noch. Die Occupy-Bewegung ist nach kurzer Zeit versandet. Auch die Fridays-for-Future-Bewegung wird es sehr schwer haben, für längere Zeit fortzuexistieren. Aber sie hat für eine große Überraschung gesorgt, weil sie den politischen Diskurs bis in die Exekutive, also bis in die Bundesregierung hinein, verschoben hat.
Was braucht es, um eine solche Bewegung zu verstetigen?
Wolfgang Kraushaar, 71, ist Chronist der bundesdeutschen Protestbewegungen.
Das ist sehr schwer zu antizipieren. Auf jeden Fall bedarf es einer Politizität. Das heißt, dass sie versuchen muss, über den politischen Druck eine Wirkung zu entfalten. Bislang ist ihr das zu meiner eigenen Überraschung sehr gut gelungen. Sie hat eine Legitimitätsressource erschlossen, was die Defizite der offiziellen Klimapolitik betrifft. Sie ist stark immanent aufgetreten, weil sie sich auf die Ziele bezogen hat, die 2015 auf der UN-Klimakonferenz in Paris formuliert worden sind. Dahinter hat sich die Bewegung geschickterweise aufgestellt.
Könnte es zum Problem werden, dass sie offene Türen einrennt?
Die Hauptfrage wird sein, ob es bei einer bloß symbolischen Politik bleibt, oder ob es tatsächlich Entscheidungen gibt, womöglich Gesetze, die schmerzvoll sind für diejenigen, die für die Probleme hauptsächlich verantwortlich sind.
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