heute in hamburg: (Politische) Justiz nach dem G20-Gipfel
(Politische) Justiz nach G20Es diskutieren Anwältin Gabriele Heinecke, Professor Paul Krell und G20-Gegner Halil Simsek. 19:30 Uhr, Haus73, Schulterblatt 73. Eintritt frei
Von Katharina Schipkowski
Die meisten Hamburger*innen waren wohl froh, als die Staats- und Regierungschef*innen am 9. Juli 2017 endlich die Stadt wieder verließen. Es bedeutete für sie, dass sie aus dem Exil wiederkommen, ihre Kinder wieder zur Schule schicken, normal arbeiten und sich frei durch die Stadt bewegen konnten.
Für einige andere hingegen ist G20 nach zwei Jahren immer noch nicht vorbei. Sie sind mit Gerichtsprozessen beschäftigt, verteidigen Mandant*innen, verurteilen sie, stehen selbst vor Gericht oder sitzen gar in Haft. Die juristische Aufarbeitung der Geschehnisse läuft auf Hochtouren, 164 Urteile sind bereits ergangen. Die meisten Strafen, die verhängt wurden, sind Freiheitsstrafen, die zur Bewährung ausgesetzt wurden. Einige G20-Gegner*innen müssen aber auch für mehr als zwei Jahre ins Gefängnis. Ein paar Freisprüche sind auch dabei.
Wie sind die Urteile einzuordnen? Wurde mit besonders hartem Maß gemessen? Wer die Prozesse verfolgt hat, konnte das Gefühl bekommen, für Straftaten im G20-Kontext gelten andere Regeln. In Haftentscheiden wurden häufig Merkmale wie „szenetypische Kleidung“ oder die Vernetzung mit anderen Aktivist*innen angeführt – als Begründung dafür, dass die Beschuldigten in Untersuchungshaft bleiben müssen. An anderen Stellen war von dem „bürgerkriegsähnlichen Szenario“ in Hamburg die Rede, das die Beschuldigten mit verursacht haben sollen, auch wenn sie selbst keine schwere Straftat begangen haben. In zwei Prozess-Komplexen – Rondenbarg und Elbchaussee – sollen die Angeklagten sogar belangt werden, obwohl ihnen persönlich keine konkrete Straftat zugerechnet wird.
Haben die Staatsanwaltschaften und Richter*innen sich also zu stark von Olaf Scholz’Forderung nach harten Strafen leiten lassen? Muss man von einer politischen Justiz sprechen? „Ja“, sagt die Anwältin und Vorsitzende des Republikanischen Anwält*innenvereins Gabriele Heinecke. Die G20-Prozesse markierten einen Paradigmenwechsel in der deutschen Rechtsprechung. „Nein“, sagt der Professor für Strafrecht an der Bucerius Law School, Paul Krell. Die Hysterie sei übertrieben, das Strafmaß befinde sich im normalen Bereich. Der G20-Gegner Halil Simsek ist selber beschuldigt und hat ebenfalls eine klare Meinung zu den Ereignissen: Er sei schon vor dem Gipfel für schuldig erklärt worden.
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