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heute in hamburg„Kein Eliten-phänomen“

Foto: privat

Detlef Siegfried, 59, hat Geschichte, Soziologie und Germanistik studiert, wurde 1991 in Kiel promoviert, 2006 in Hamburg habilitiert. Seit 2011 Professor für Neuere Deutsche und Europäische Geschichte an der Universität Kopenhagen.

Interview Alexander Diehl

taz: Herr Siegfried, wovon sprechen wir, wenn wir von 1968 sprechen?

Detlef Siegfried: Generell wird ’68 mit der Studentenbewegung identifiziert. Ich finde, das ist ein zu enger Fokus, weil es nur auf ein Elitenphänomen gerichtet ist: den vorwiegend männlichen Nachwuchs der Bildungsschichten. Auch konzentriert es sich auf die Groß- und Universitätsstädte und nimmt im Wesentlichen ein politisches Phänomen in den Blick.

Und das springt zu kurz.

Für mein Verständnis besteht 1968 aus der Kernfusion von zwei Elementen: einerseits die politischen Reform- und Revolutionsideen, andererseits aber auch ein Umbruch in den kulturellen Orientierungen, der kulturellen Sphäre insgesamt, Stichworte: underground, counter-culture. Das ist zwar auch irgendwie politisch, aber es hat doch noch mal eine eigene Qualität. Damit geht einher, dass ich statt des Begriffs „Studentenbewegung“ den der „Jugendrevolte“ für besser halte. Weil er auch in die Provinz leuchtet, Arbeiterjugendliche mit einbezieht, Schüler, junge Frauen und so weiter.

Ist uns von der kulturellen Dimension nicht auch viel mehr geblieben?

Die damalige Vorstellung, dass es eine autonome, linke kulturelle Sphäre gibt, die den Angehörigen der Gegenkultur gehört, hat sich natürlich als nicht haltbar erwiesen – wie viele andere Dinge auch. Trotzdem: Auf dem kulturellen Feld hat sich viel getan, was etwa die Offenheit gegenüber dem angeht, was nicht Hochkultur ist; dass Populärkultur heute in den Feuilletons verhandelt wird – ob das Phänomen des kulturellen Allesfressers dann gut ist oder nicht, darüber lässt sich streiten. Ein weiterer Aspekt wäre die Ausdifferenzierung der Lebensstile: dass Lebensweisen gesellschaftlich anerkannt sind, die vorher ausgegrenzt waren, Homosexualität oder offenere, nicht kernfamiliäre Partnerschaften. Aber auch auf dem politischen Feld: Demokratisierung im Sinne partizipativer Demokratie; dass man nicht nur wählen geht, sondern auch zwischendurch eingreift, durch Demonstrationen, Unterschriftensammlungen, Bürgerinitiativen.

Das Thema Ihres Vortrags sind ausdrücklich „Deutungen“ von 1968.

Das eine ist die öffentliche Debatte, das hat man eben stark bei der AfD oder der CSU: Da wird auf ’68 eingedroschen und so getan, als sei das der Ausgangspunkt alles Bösen. Da geht es aber um heutige Kämpfe, um die Gegenwartspositionen derer, die da sprechen. Davon unterschieden ist das, was in der Forschung läuft: Die ist viel differenzierter als all die Klischees.

Vortrag „Konjunkturen von ‚1968‘“: 18.30 Uhr, Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg, Beim Schlump 83. Buchvorstellung „1968. Protest. Revolte. Gegenkultur“: Di, 24. 4., 20 Uhr, Buchladen Osterstraße

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