„hart aber fair“-Sendung über Heimat: „Wie schnell das hier eskaliert“
„Heimat Deutschland – nur für Deutsche oder offen für alle?“, fragte „hart aber fair“. Massive Kritik war programmiert.
Die neue Chefredakteurin des Westdeutschen Rundfunks, Ellen Ehni, wurde im September letzten Jahres im taz-Interview nach Zuspitzungen im Sendungstitel von Talkshows gefragt. Auch wenn es keine verschlafene Titel geben sollte und man „mit dem Titel – Stichwort Framing – der Debatte eine Richtung geben“ könne, dürfe es „nicht auf einen effektheischerischen Titel hinauslaufen“, so Ehni. „Wir müssen verbal etwas abrüsten, um eine sachliche Debatte zu ermöglichen.“
In der im Ersten gesendeten WDR-Sendung „Hart aber fair“ von Montagabend ist dies offensichtlich nicht gelungen. „Heimat Deutschland – nur für Deutsche oder offen für alle?“ wurde im Titel gefragt. „Aber für wen ist hier Heimat: für alle, die hier leben, oder nur für die, die von hier stammen?“, hieß es weiter in der Ankündigung. Massive Kritik war damit programmiert. Viele fanden diese Frage mindestens irritierend – oder warfen der Sendung vor, „rechte Diskurse salonfähig zu machen“, wie der SPD-Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby.
Der Titel räume „genau jenen Leuten Platz ein, die Menschen wie mir in Abrede stellen, dass Deutschland meine Heimat ist“, kritisierte der Spiegel-Journalist Hasnain Kazim. Hohe Aufmerksamkeit für die Sendung war also garantiert. Moderator Frank Plasberg sprach die Kritik auch an, qualifizierte sie jedoch gleich als „kleinen Shitstorm“ ab.
Das viel diskutierte und kritisierte, für 120.000 Euro in Auftrag gegebene Framing-Manual, in dem von „moralisch kohärenter Kommunikation“ oder dem Auftrag, „nie den Frame der Gegner“ zu verwenden, die Rede ist, wurde in der „Hart aber fair“-Redaktion also offenbar in der Sendungsvorbereitung offenbar nicht aufgeschlagen. Die Debatte mit der Grünen-Bundestagsfraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt, dem bayerischen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler), dem Bild-Journalisten Nikolaus Blome, dem Soziologen Armin Nassehi und der Kabarettistin İdil Baydar lief dann allerdings entspannter ab, als man vorher vermutet hätte.
Göring-Eckardt vertritt im Gegensatz zu ihrer Parteijugend, die in Bezug auf Heimat von einem „Begriff der Gegenaufklärung und Irrationalität“ spricht und „Solidarität statt Heimat“ fordert, ihre bekannte Position, dass der Begriff Heimat „nicht den Rechten überlassen“ werden sollte. Ihr Heimatbegriff sei offen. „Dazu gehört, wer da ist.“ Eine Heimat zu haben, sei dabei nicht selbstverständlich. „Manchmal muss man sie suchen, finden und auch bekommen. Das ist der Job in unserer Gesellschaft, das wir auch Heimat geben müssen.“
Das Altbekannte: Wir und die anderen
Aiwanger forderte, dass man „den Menschen ihr Recht auf Heimat lassen“ müsse. Ob dies „nur für Deutsche oder für alle“ gilt, sagte er nicht. Allerdings könnten Menschen seiner Ansicht nach auch „mehrere Heimaten in ihrem Leben“ haben. Doch wenn eine Diskussion über Heimat „in die rechte Ecke“ gestellt werde, „zünden wir ideologisch hier schon wieder die Bombe.“
Schnell ging es dann wieder um das altbekannte „Wir und die Anderen“ – und den Fall Özil. Dass Blome in Bezug darauf von der Frage spricht, „ob es notwendig ist, sich zu entscheiden, in welches Land man nun eigentlich gehören möchte“, ist für Baydar „die Spitze des Eisbergs an Frechheit“. Schließlich habe Özil sich gegen die türkische Staatsbürgerschaft und für die deutsche Nationalmannschaft entschieden. Plasberg lenkte ein: Es sei „bemerkenswert, wie schnell das hier eskaliert.“ Ganz so, als sei diese Konfrontation nicht gewünscht gewesen.
Auch später gab es nochmal Streit zwischen Blome und Baydar. Als er von ihr wissen wollte, warum so viele Deutschtürken für die islamisch-nationalistische AKP stimmten, wurde Baydar sauer. „Ich muss dafür nicht Rede und Antwort stehen“, sagte sie und fragte: „Warum setzen Sie voraus, dass ich eine Türkeiexpertin bin?“ An anderer Stelle erklärte Blome, dass „wer in dieses Land kommt und sich Heimat erwerben will“, dann „schon in der Bringschuld“ sei.
„Siggi, du bist mir nicht deutsch genug!“
Baydar fühlte sich angesprochen: „Ich bin hier geboren! Mittlerweile gibt es hier die dritte und vierte Generation. Trotzdem haben wir eine Art und Weise über Migranten zu sprechen, als ob sie immer noch in der Bringschuld sind.“ Immer wieder werde infrage gestellt, „wie deutsch“ die Menschen aus Einwandererfamilien sind. „Macht ihr das unter Deutschen auch so? ‚Siggi, du bist mir nicht deutsch genug!‘“ Auch sie sei gemeint, „wenn die AfD sagt, die müssen wir entsorgen“.
Dank Göring-Eckardt wurde schließlich noch über den Hashtag #vonhier gesprochen, unter dem über Ausgrenzungserfahrungen durch Herkunftsdialoge berichtet wird. Baydar gehe es „auf den Sack“, ständig nach der „eigentlichen Herkunft“ gefragt zu werden, nur um dann gesagt zu bekommen, wie scheiße Erdogan sei. Es sei verständlich, nicht darauf festgelegt werden zu wollen, wo die Urgroßeltern herkommen, so Göring-Eckardt. „Wenn man dann spätabends nochmal fragt, auch okay. Aber erstmal bist du nicht darauf festgelegt, was ich dir zuschreibe, wer du zu sein hast.“
Über das vorab angekündigte Thema „Heimatministerium“ wurde dann kaum gesprochen. Dabei wäre das unbedingt notwendig gewesen: Die Abteilung Heimat im Bundesinnenministerium hat bislang noch keinen einzigen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht. Kurz vor seiner Ernennung erklärte der amtierende Minister Horst Seehofer (CSU), es gehe um „gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Regionen und um den gesellschaftlichen Zusammenhalt.“ Wie dies konkret umgesetzt werden könnte, wurde an diesem Abend nicht besprochen.
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