grüne und frauen: Keine Rache für Angie
Alle reden über Wahlkampfstrategien – nur die Grünen diskutieren ihr neues Grundsatzprogramm. Macht nichts. Denn Steilvorlagen für die Opposition liefern sie nicht, seitdem sie „Grundsätze“ wie „Realpolitik“ buchstabieren. Und einen Spitzenkandidaten haben sie auch schon, Joschka Fischer. Ach ja, selbst ein Slogan fehlt nicht: „Rache für Angie“ kann man als grüne Email-Postkarte verschicken. Wahrscheinlich soll das bedeuten, dass es den Grünen natürlich nie passieren könnte, einen Mann als Spitzenkandidaten aufzustellen. Hm.
kommentar von HEIDE OESTREICH
Eins ist wirklich neu am neuen Entwurf des Grundsatzprogramms: ein „Frauenkapitel“ haben die Grünen auf vielfachen Wunsch eingefügt. Darin steht das Übliche: Rollenbilder sollen geändert, Männer in die Erziehungszeit gelockt und das Ehegattensplitting abgeschafft werden. Ganz am Ende wollen die Grünen auch noch „Gender Mainstreaming“ einführen. Das ist europäisch und heißt: Bei jeder politischen Maßnahme müssen die Auswirkungen auf beide Geschlechter überprüft und Ungerechtigkeiten beseitigt werden. Geschlechterpolitik soll strukturell verankert werden. Das erscheint aussichtsreicher, als Fraueninteressen von Frauen einklagen zu lassen, denen die Machtmittel fehlen, um wirklich etwas zu bewirken. Der Europäische Strukturfonds etwa vergibt Gelder nur an Organisationen, die das benachteiligte Geschlecht fördern.
Eine Partei mit feministischen Visionen muss also auch Gender Mainstreaming im Programm haben, haben sich die Grünen gedacht und tapfer geschrieben: „Alle Politikfelder müssen auf den Prüfstand der Geschlechtergerechtigkeit.“ Eine Partei mit Visionen könnte auf die Idee kommen, dieses Prinzip auch auf ihre eigenen Grundsätze anzuwenden. Aber geschlechtergerechte Finanz-, Bildungs- oder Außenpolitik finden sich hübsch gebündelt in Kapitel 6. Das hat wahrscheinlich die Frauenreferentin geschrieben. Und diejenigen, die die anderen Kapitel verfassten, haben es noch nicht mal gelesen. In den anderen Kapiteln kommen die Geschlechter nämlich kaum bis gar nicht vor.
Nichts steht auf dem Prüfstand bei den Grünen. Wie würde man auch dastehen, wenn man plötzlich feministische Finanzpolitik fordern würde. Dafür macht man höchstens im Frauenkapitel Reklame. So ist er eben, der realpolitische Trend. Wir sollen ja auch „Rache für Angie“ schwören und dann Joschka Fischer wählen.
brennpunkt SEITE 5
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