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freun­d*in­nen­schaft (4)„Ich kann mich euch zumuten“

Im Rheinland betreiben Freun­d*in­nen gemeinsam das queerfeministische Bildungszentrum lila_bunt. Was bedeutet Freun­d*in­nen­schaft für sie?

Das lila_bunt-Kollektiv Foto: privat

In Zülpich, einem kleinen Ort im Kreis Euskirchen, gleich weit entfernt von Köln und Bonn, steht das queerfeministische Bildungszentrum lila_bunt. Es ist auf einem alten Fachwerkhof beheimatet, in dem dazugehörigen Garten befinden sich Feuerstelle, Sauna, Werkstatt, Hängematten. Aus der Freun­d*in­nen­schaft ist hier ein gemeinsames Projekt entstanden, das für seine Gäste, meist Gruppen, die Bildungsarbeit leisten, ­einen geschützten Raum bieten soll. Beim Kochen in der Küche tanzen, nach der Sauna durch den Garten rennen, zusammen am Lagerfeuer sitzen– das alles gehört hier dazu. Und jeden Dienstagabend zum Onlineplenum zu erscheinen, auch wenn der Tag davor schon lang war.

taz: Gibt es Momente, in denen ihr euch miteinander besonders geborgen gefühlt habt?

Es wird kurz still, alle denken nach. Lotte sagt, sie brauche noch mehr Bedenkzeit, und ist dann doch die Erste, die spricht:

Lotte: Während der Coronazeit hat mir die Verbindung zu euch so viel Sicherheit gegeben. In der ganzen Schrecklichkeit um uns herum war das einfach wahnsinnig schön.

Linda: Ja, daran erinnere ich mich. Mir fallen Alltagssituationen ein: Wenn ich morgens um 7 Uhr Hausdienst habe, unausgeschlafen vor der Kaffeemaschine stehe, dann weiß ich, dass wir füreinander sorgen, wenn die Welt da draußen es schon nicht tut.

Ricci: Ihr wisst ja, dass ich immer wieder depressive Phasen habe. Ich hatte am Anfang Angst, ob es möglich ist, ein Teil des Kollektivs zu sein. Aber ich habe gemerkt, dass ich mit euch einfach sein darf. Und die Hoffnung, die in unserer Arbeit und in diesem Haus steckt, hilft mir.

Lila_bunt hat einen großen Unter­stützer*innenkreis. Das Haus liegt im Hochwassergebiet von 2021, das Projekt war von der Flut betroffen. Hel­fe­r*in­nen kamen direkt nach dem Unglück angereist.

Sinah: Zusammen sein war nach dem Hochwasser das Wichtigste. Es waren plötzlich so viele Menschen da, die sich mit dem Ort verbunden fühlten. Menschen, die früher mal im Haus gearbeitet haben, und andere, die ganz neu dazugekommen sind und auch jetzt noch dabeigeblieben sind. Allen war klar, wir müssen diesen Ort erhalten. Wir lassen uns nicht alleine.

Philian: Ich habe hier gemerkt: Wenn ich nach Hilfe frage, dann kommt die sofort, und zwar doppelt. Erinnert ihr euch, als ich neu dabei war und auf dem Weg zum Haus eine Autopanne hatte? Ich habe euch angerufen und ihr kamt nicht nur mit einem Auto, sondern direkt mit zwei.

Meltem: Ich kann mich euch zumuten, das habe ich gelernt, als mein Vater gestorben ist. Trauer kommt ja in Wellen. Ich konnte mit allem davon bei euch sein. Wir können miteinander nämlich beides teilen, die Schwere und die Freude.

taz: In eurem Haus sind immer wieder Gruppen zu Besuch, für Seminare oder Bildungsreisen. Seid Ihr andere Gastgeber*innen, weil ihr Freun­d*in­nen seid?

Meltem: Auf jeden Fall. Wir sind ein Ort, der Beziehungen politisch denkt. Das, was wir miteinander haben, wollen wir auch mit denen teilen, die zu uns kommen. Und ich glaube, das merken die Gäst*innen: Wir haben so viel Liebe, dass sie quasi überschwappt.

Das Projekt Lila_bunt beherbergt bis zu 32 Gäst*innen, die zu Seminaren, Fortbildungen oder Bildungsurlauben kommen. Sie werden vor allem für FLINTA*-Personen angeboten. Interview: Luisa Faust

Quelle: taz

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