die wahrheit: Wie sie Nachbar von George Clooney werden können
Sie haben das Bewusstsein der Massen stärker beeinflusst als Karl Marx, Mahatma Gandhi und Ussama Bin Laden zusammen: die Kaffeeröster. Sie haben unsere...
Sie haben das Bewusstsein der Massen stärker beeinflusst als Karl Marx, Mahatma Gandhi und Ussama Bin Laden zusammen: die Kaffeeröster. Sie haben unsere Bedürfnisse stärker manipuliert als der Papst und Beate Uhse. Das Bedürfnis nach Kaffee bestimmt den ersten Gedanken des Tages, und es regt sich fortan nach jeder winzigen Anstrengung und der kleinsten Leistung. Bald werden Neurologen einen Entspannungswunschzapfen im Belohnungszentrum der Großhirnrinde finden und feststellen, dass dieser nahezu identisch ist mit einem Koffein-Lappen, der unentwegt säuselt: Jetzt hast du dir ein Käffchen verdient.
Zwei Seiten am Stück geschrieben: Cappuccino. Zwei Hemden gebügelt: Latte macchiato. 20 Minuten mit Mutti telefoniert: Espresso, doppelt. Einen Doppelwhopper mit Salatblatt hinuntergewürgt: Caffè crema. Zufriedenstellenden Geschlechtsverkehr absolviert: Caffè latte (!), der, die Älteren erinnern sich, die gute alte Zigarette danach verdrängt hat. Acht Stunden gepoft: Galão. Entspannung ohne Koffein ist nicht mehr denkbar.
Das wäre noch nicht dramatisch, es gibt scheußlichere Dinge als Koffein und brutalere Banden als die Kaffeeröster, wäre da nicht deren unbedingter Wille zur gnadenlosen Ausbeutung, bis zum völligen Ruin des Konsumenten. Neben dem Drang, uns ständig und überall mit Koffeinprodukten zu entspannen, sind wir auch auf den rituellen Rahmen konditioniert. Es genügt nicht mehr, zwei Löffel Kaffeepulver in den Filter zu geben und heißes Wasser darüber zu schütten, wie vor 40 Jahren. Es müssen andere Koffeiniker um uns herum sein, die Hightech-Hochdruckmaschine muss zischen und dampfen wie einst die Loks der Western Pacific. Der Illy, Lavazza oder Seggafreddo ist aus einer Designertasse auf einem Designersofa in einer entkernten Jugendstilvilla zu schlürfen. Und die Münzen müssen klingeln, drei Euro für einen Cappuccino ist Standard. Verglichen mit den drei Pfennigen für die zwei Löffel Bohnenkaffee aus den Sechzigern ist das eine Steigerung um 10.000 Prozent. Man gönnt sich was, billig wäre stillos.
Unser Kaffeekonsum hat die finanziellen Dimensionen der Immobilienbranche erreicht. Rechnen sie mit: Espresso doppio als Aufwachhilfe, Cappuccino-Pause gegen elf, Verdauungs-Galão, Kommunikations-Latte mit Kollegen, Feierabend-Macchiato, Post-Diner-Espresso, Absacker-au-Lait, jeweils drei Euro, macht 21 Euro pro Tag, mit Trinkgeld 25, das sind im Jahr knapp 9.000, in 20 Jahren 180.000 Euro, falls man sein Geld lieber unter der Matratze sammelt. Wer dem Koffeinterror entsagt, ist also in 20 Jahren Millionär und kann sich eine Villa am Comer See kaufen, in direkter Nachbarschaft zu George Clooney.
Drei-, viermal die Woche wird dann Kumpel Brad mit seinen sechs leiblichen und neun adoptierten Blagen sowie achtzehn Enkelkindern und der Gattin auftauchen, gefolgt von 800.000 Paparazzi. George Clooney ist dann ja auch schon 70 und froh, dass sie allesamt seinen Nespresso wegtrinken. Denn er selbst darf ja längst keinen Kaffee mehr zu sich nehmen. Die Pumpe …
Herr Ober! Bitte einen Latte macchiato vaniglia, mit doppeltem Espresso und dreifachem Amaretto.
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